Osman Engin
Die Coronachroniken
: Corona in Endlosschleife

Gestern, nach meinem wöchentlichen Corona-Vorsorgetest sagte die Schwester im Krankenhaus: „Sie haben Glück. Sie müssen nicht mehr hierher kommen. Sie können das Testergebnis­ telefonisch erfahren. Wir rufen Sie gegen 9 Uhr an.“

„Oh, bitte nicht“, stammelte ich unglücklich. „Wussten Sie, dass ich während des unerträglichen Wartens auf Ihren Anruf vor lauter Sorge um mindestens zehn Jahre älter werde, auch wenn ich nur zehn Minuten warten muss?“

„Wussten Sie, dass sich an den Tagen, an denen Sie Ihr Kommen androhen, die halbe Belegschaft panisch krankmeldet?!“, antwortete sie. Was ich nicht sehr nett fand. Ich bekam sogar fast den Eindruck, dass sie plötzlich nicht glücklich darüber sind, dass ich seit Jahren Stammkunde bei denen bin.

Am nächsten Tag warte ich unter Höllenqualen vergeblich bis 9.08 Uhr auf den Anruf und rufe dann gezwungenermaßen selber dort an.

„Guten Morgen“, meldet sich eine nette Frauenstimme.

„Guten Morgen“, antworte ich eiligst. „Ich wollte das Ergebnis meines Tests erfahren. Die Schwester sagte mir gestern…“

„Halt, halt, halt, mein Herr. Was für einen Test denn? Herz, Lunge, Leber, Milz, Magen, Haut, Prostata…“

„Coronatest, Coronatest“, unterbreche ich sie zügig, damit sie mir nicht die sämtlichen Organe des menschlichen Körpers runter rattert.

„Gut, ich verbinde“, ruft sie und verbindet mich – aber womit?! Ich höre in Endlosschleife irgendwelche nervigen Geräusche. Nach 22 Minuten werde ich endlich erlöst.

„Guten Morgen, womit kann ich Ihnen helfen?“

„Ja, guten Morgen, ich wollte das Ergebnis meines Tests erfahren. Die Schwester sagte mir gestern…“

„Halt, halt, halt, mein Herr. Was für einen Test denn? Herz, Lunge, Leber…“

„Coroantest, Coronatest“, unterbreche ich die Schwester diesmal noch schneller.

„Warten Sie, ich verbinde.“

Diesmal komme ich mit nur 17 Minuten Lärmbelästigung davon.

„Guten Morgen“, meldet sich eine neue Frauenstimme.

„Guten Morgen, ich wollte das Ergebnis meines Coronatests erfahren. Die Schwester sagte…“

„Warten Sie, ich verbinde.“

Nach 23 Minuten hat das Leiden endlich ein Ende.

„Guten Morgen, Hebamme Irmgard am Apparat.“

„Ich wollte das Ergebnis meines Coronatests erfahren. Die Schwester sagte mir gestern…“

„Sachte, sachte, was wollen Sie erfahren?“, fragt sie verwirrt.

„Das Ergebnis meines Coronatests. Machen Sie bitte schnell! Ich sterbe nicht nur vor Neugier!“

„Warum rufen Sie bitteschön dafür hier in der Geburtsklinik an?“

„Geburtsklinik? Das weiß nur die Schwester von vorhin, die mich zu Ihnen verbunden hat.“

„Gut. Ich verbinde Sie zurück.“

„Neeeeiiinnnn!“ Zu spät, es tutet bereits. Ich werfe den Hörer hin, springe in meinen Ford-Transit und zehn Minuten später bin ich da.

„Warum sind Sie gekommen?“, lächelt die Schwester gequält. „Sie sind negativ. Aber das hätten Sie auch ganz bequem telefonisch erfahren können.“