das wird: „Er war auch mal jung“
Zum 125. Todestag: Das Lübecker Brahms–Institut widmet dem Komponisten sieben Online-Videos
Wolfgang Sandberger
geboren 1961, ist Professor für Musikwissenschaft und leitet des Brahms-Institut an der Musikhochschule Lübeck.
Interview Wilfried Hippen
taz: Herr Sandberger, anlässlich des 125. Todestages von Johannes Brahms hat Ihr Institut sieben Videos produziert, jeweils 125 Sekunden lang, die nun im Wochentakt erscheinen. Wie sind Sie darauf gekommen?
Wolfgang Sandberger: Das hatte auch mit der Pandemie zu tun, denn wir wollten unabhängig von den Hygienebeschränkungen etwas zum Todestag von Brahms am 3. April machen. Zum 7. Mai wird dann bei uns eine große Ausstellung eröffnet, und da bietet es sich an, dass wir jede Woche ein Video hochladen. Deshalb hat die Serie sieben Teile.
Was ist die Idee hinter dem Projekt?
Es sollte ein Format sein, dass sich nicht an Spezialisten oder Wissenschaftler wendet, sondern an ein interessiertes Publikum. Es geht darum, dass wir eine der kostbarsten Sammlungen zu Johannes Brahms haben, mit Autografen, Briefen, Fotografien und Reliquien bis hin zu einer Haarlocke. Seit 2002 verfolgen wir eine Digitalisierungsstrategie, damit die kostbare Sammlung auch über Lübeck hinaus präsent ist. So können Sie heute schon in Grönland oder Göttingen online in unserem Adressbüchlein von Brahms blättern.
Und worum geht es in den Videos?
Jeder Clip hat etwas mit unserer Sammlung zu tun. Da wir ein kleines Institut mit sieben Leuten im Team sind, hat jede und jeder von uns in einer Folge etwas erzählt.
In Folge eins, ab Sonntag auf der Instituts-Homepage zu sehen, sprechen Sie nicht über Musik, sondern über Brahms’ Image.
Video-Reihe „Brahms in 125 Sekunden“: ab 3. 4. jeweils sonntags, 12 Uhr, auf der Instituts-Website (www.brahms-institut.de) oder im Streaming-Angebot der Musikhochschule Lübeck
Man stellt sich Brahms meist als einen alten, bärtigen Mann vor, denn unser Bild von ihm ist ja vor allem durch seine Altersfotografien geprägt. Aber er war auch mal jung und ein Feuerkopf.
Sie basteln nicht konservativ an einem Geniekult, sondern haben moderner wirkende Ansätze. Ihre Assistentin Birgitt Rehbock erzählt etwa davon, dass das Wiegenlied „Guten Abend, gut’ Nacht“ damals ein internationaler Hit war.
Am Beispiel des prominentesten Stücks wird deutlich, wie gut Brahms sich auch um Verkaufsstrategien gekümmert hat. Für mich ist er der erste, der das Komponieren tatsächlich kapitalisiert hat. Ökonomisch gesprochen, ist er deshalb der erste freie Komponist. Schubert ist auf diesem Weg noch gescheitert, Beethoven hat sich von Mäzenen aushalten lassen. Aber Brahms hat sehr geschickt mit seinem Verleger verhandelt, sodass er ein ganz anständiges Vermögen zusammengebracht hat.
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