Im Sturzflug vom Himmel

Eine Boeing-737 stürzt in China nahezu senkrecht ab. Selbst Experten finden keine plausible Erklärung

Aus Peking Fabian Kretschmer

Der Anblick des Unfalls hat die gesamte chinesische Öffentlichkeit erschüttert: Wie ein Stein fällt das Flugzeug aus dem Himmel, in nahezu vertikaler Linie stürzt es in die Berge der autonomen Region Guangxi. Bereits die bloßen Videoaufnahmen, die auf sozialen Medien geteilt werden, legen leider nah, dass von den 132 Insassen der Boeing-737 wohl niemand überlebt hat.

Doch bis Montagnacht hielten sich die Behörden weiterhin auffällig bedeckt über die Hintergründe der größten Flugzeugkatastrophe in China seit über einer Dekade. Um kurz nach 14 Uhr Ortszeit hob die Maschine wie geplant von der südchinesischen Provinzhauptstadt Kunming ab. Doch rund 300 Kilometer vor der Destination Guangzhou verlor die Boeing plötzlich rasant an Höhe. Wie das Wirtschaftsmagazin Caijing berichtet, habe es keine zwei Minuten gedauert, bis das Flugzeug von über 8.800 Metern auf die Erde stürzte.

Bewohner umliegender Dörfer fuhren umgehend zur Unfallstelle, tief abgelegen in den subtropischen Bergen von Guangxi. Dort fanden sie laut Berichten Kleidungsstücke an den Bäumen hängen, doch vom Flugzeug selbst und deren Insassen blieb nichts als Schutt und Asche über. Die Maschine ging nicht nur in Flammen auf, sondern löste auch einen Waldbrand aus, der jedoch wenig später gelöscht werden konnte.

Chinesische Luftfahrtexperten haben sich nur wenige Stunden nach dem spektakulären Crash zu Wort gemeldet. Sie finden bislang keine plausible Erklärung für den Grund hinter der Tragödie. Selbst wenn beide Triebwerke der Boeing gleichzeitig ausgefallen wären, würde dies nicht den steilen Fall der Maschine erklären. Denn dann hätte sie zumindest noch in der Luft gleiten können.

Staatschef Xi Jinping meldete sich umgehend zu Wort, um an die Rettungssanitäter zu appellieren. Mehr als tausend Bergungskräfte mit über zwei Dutzend Feuerlöschfahrzeugen wurden zum Unfallort geschickt. Doch die Blackbox des Flugzeugs hatten sie bis Montagnacht nicht gefunden. Und noch immer haben die Behörden keine offiziellen Todeszahlen veröffentlicht.

In den 1990er Jahren galten Chinas Fluglinien noch als vergleichsweise unsicher, etliche Abstürze ereigneten sich in kurzer Zeit. Doch seit den nuller Jahren hat sich dies dank massiver Investitionen und verschärften Auflagen vollends gewandelt: Die Volksrepublik hatte eine sehr lange unfallfreie Phase, der letzte tödliche Crash eines Passagierflugzeugs ereignete sich im Jahr 2010.

Die jetzige Tragödie wird die kollektive Psyche des Landes wohl noch lange beschäftigen. Denn laut Medienberichten war die Krisenkommunikation der Behörden und der Fluglinie offenbar katastrophal. Mehrere Angehörige der Passagiere warteten vergeblich am Flughafen Guangzhou, ohne dass sie über den Absturz der Maschine informiert worden waren. Sie erfuhren davon, genau wie die meisten der 1,4 Milliarden Chinesen, über die sozialen Medien.

Auf diversen Plattformen wurde hunderttausendfach das Schicksal eines der insgesamt 133 Passagiere geteilt: Der Chinese sollte eigentlich ebenfalls in die Unglücksmaschine, sein Ticket war bereits gekauft. Doch aufgrund eines verspäteten Anschlussflugs konnte er nicht rechtzeitig boarden. Der Zufall rettete sein Leben.