wortwechsel
: Der Krieg kommt im deutschen Alltag an

Was kann die Zivilgesellschaft tun? Was passiert mit der Bundeswehr? Mit steigenden Benzinkosten? Explodieren die Weizenpreise? Und wie objektiv sind Mainstreammedien?

Berlin 13. 3. 22: Gegen den Krieg, für die Solidarität mit der Ukraine Foto: reuters

Selenskyis Krieg …

„2.187 Tote in Mariupol gemeldet“,

taz vom 13. 3. 22

Der völlig außer Kontrolle geratene Konflikt macht mich fassungslos. Derweil versuche ich möglichst viele Menschen in Sicherheit zu bringen, bin mit Hilfsinitiativen in Kontakt und organisiere Wohnraum und Unterkünfte im privaten Umfeld. Am meisten versuche ich, eine eng befreundete Familie aus Kiew nach Deutschland zu holen. Der Vater und seine drei Söhne dürfen die Ukraine nicht verlassen; er (56) und die Söhne (26/24/19) werden für die Verteidigung von Kiew mobilisiert. Wie kann man einen solchen Präsidenten – wie es viele tun – als wunderbar bezeichnen? Einen Präsidenten, der Männern das Recht verweigert, die Waffen niederzulegen? Ist die Verweigerung des Dienstes an der Waffe nicht ein wesentlicher Grundpfeiler der Europäischen Union, der westlichen Werte? Georg Frinke, Bornheim

In der allgemeinen Empörung über Putins fraglos verbrecherischen Einmarsch in die Ukraine geht ein wichtiger Gedanke unter: Ist es sinnvoll, sich einem übermächtigen Aggressor entgegenzustellen und damit das Leid von Millionen Menschen und die Zerstörung des Landes in Kauf zu nehmen? Mit anderen Worten: Wäre es nicht besser gewesen, wenn die Ukraine gleich zu Beginn des Einmarsches die weiße Fahne gehisst hätte? Die Ukraine wird am Ende sowieso verlieren. Ist es also sinnvoll, Tausende von Menschenleben zu opfern? Steckt dahinter nicht die vorwiegend männliche Fantasie, immer siegen zu müssen, koste es, was es wolle? Ist diese aus der Steinzeit (oder lange davor) stammende Haltung im Zeitalter von Atomwaffen noch zu rechtfertigen? Ist die territoriale Integrität wichtiger als mein Leben? Ist es nicht besser, unter erschwerten Besatzungsbedingungen zu leben, als überhaupt nicht zu leben? Ich finde, es ist an der Zeit, dass wir uns solche Fragen stellen. Wolf Bruns-Kainzing, Taiskirchen

Putins Krieg …

„Illusion und Scham: Deutschlands Fehleinschätzung von Putin“, taz vom 25. 2. 22

Wir lagen falsch. So fasst der Kommentator die Situation zusammen. Dieser Hälfte der Bevölkerung rechne ich mich zu. Jahrgang 1934. Beunruhigende Erinnerungen werden geweckt. Nie wieder Krieg! Das ließ mich die Wiederbewaffnung Deutschlands ablehnen. Und nun? Kleinstaaten können sich nur durch wehrhaften Zusammenschluss schützen. Es ist wieder die Stunde der Falken. Lawrows Begründung des Krieges, die Minderheitenrechte der Russen seien missachtet worden, ist nicht falsch und trotzdem ein Vorwand. Diese Begründung hat die Glaubwürdigkeit eines anderen Satzes: „Von nun an wird zurückgeschossen.“ Erbärmlich hilflos. Klaus Warzecha, Wiesbaden

Der Krieg in den Medien

„Die Mutige“, taz vom 16. 3. 22

Enttäuscht bin ich über die Haltung der angeblich so freien, kritischen, deutschen Presse und Medien, die sich als zuverlässiger Lautsprecher der US-Interessen zeigen sowie alle Aggression nur Russland zuschreiben – was daran liegen mag, dass die Chefetagen deutscher Medien allzu sehr über Thinktanks und NGOs mit der US-Elite verstrickt sind. Die deutsche Bevölkerung ist inzwischen dadurch so aufgewiegelt, dass sie manche russischstämmige Mitbürger anpöbeln, verprügeln, ihre Autos oder Fensterscheiben in ihren Wohnungen zerschlagen. Wer Freundschaften mit russischem Führungspersonal führt, verliert seinen Job oder seine Ämter. Gesinnungsschnüffelei und Nationalismus werden angeheizt. Gratulation! Warum eigentlich muss der Mensch immer wieder beweisen, dass er kein mit Vernunft begabtes Wesen ist? Verhandeln, verhandeln! B. J. Antony, Lohra

Live: „Stimmen aus dem Jenseits“ jetzt zu hören

Ein Aufruf von Kurt Tucholsky zum Streik in Waffenfabriken verbreitete sich in Windeseile in allen Medien. Am Montag wurde bereits die Waffenproduktion in Russland, in der Ukraine, in Deutschland und Frankreich weitestgehend lahmgelegt. Und auf allen Radiosendern meldet sich seit Samstag zu jeder vollen Stunde John Lennon mit „Imagine“ und „Give Peace a Chance“. Die Radiosender selbst haben keine Möglichkeit, diesen Einfluss aus dem Jenseits zu unterbinden.

Inge Albrecht

Das Benzin!

„Tankrabatt bleibt strittig“,

taz vom 16. 3. 22

Den Vorschlag, die Spritpreise zu subventionieren, kann ich nur mit drastischen Worten kommentieren. Christian Lindner und die FDP handeln nach dem Motto: Lieber Krieg in der Ukraine und staatliche Gelder für die Spekulationen und Extragewinne der Mineralölkonzerne als Tempolimit und Energiesparen!

Karl Amannsberger, Berlin

Einfach nur „zu doof“?

„Sprit sparen? Nein danke!“,

taz vom 16. 3. 22

Um dieses Verhalten zu verstehen, muss man berücksichtigen: Etwa die Hälfte der umherfahrenden Pkws sind Firmen- oder Geschäftsfahrzeuge (die Lkws sowieso alle). Diesen Fah­re­r:in­nen ist der Spritverbrauch egal. Sie bezahlen mit einer Tankkarte, und die Kosten gehen auf ein Firmenkonto, dass sie nie zu sehen bekommen. Zweitens: Viele Au­to­fah­re­r:in­nen verstehen den Zusammenhang zwischen Fahrweise und Spritverbrauch nicht. Und viele verstehen die kollektive Aufgabe des Spritsparens nicht einmal im Ansatz. Die persönliche Sozialisation hat nicht ausgereicht, ein Wirgefühl zu entwickeln. Diese Menschen sind nicht in der Lage, die politischen Zusammenhänge zu verstehen, geschweige denn das eigene Verhalten danach auszurichten. Vulgo: Sie sind schlichtweg zu doof. Wenn man diese drei Kategorien zusammen nimmt, kommt man sicherlich (trotz Überschneidungen) auf 90 Prozent der Auto fahrenden Bevölkerung, und deshalb tut sich da auch nix Messbares.

Manfred Stengel, Hamburg

„Nukleare Teilhabe“?

„Aufrüstung der Bundeswehr: Bombig neue Tarnkappenjets“, taz vom 14. 3. 22

Die „nukleare Teilhabe“ hängt nicht an diesem Flugzeug, sondern an den Nato- Verträgen. Auch der Tornado trägt ja Atomwaffen. Die jetzige Aufregung ist reichlich künstlich und übertrieben und entspringt nur der generellen Ablehnung von militärischer Abschreckung.

Benedikt Bräutigam auf taz.de

Es kann ja immer alles anders kommen, aber im Moment ist zu befürchten, dass das Fenster zu atomarer und konventioneller Abrüstung für längere Zeit geschlossen ist. Der Kauf der neuen Flugzeuge durch die Bundeswehr ist daher für mich nachvollziehbar. Waage69 auf taz.de

Der Wahnsinn nimmt seinen Lauf. Nicht zu bremsen. Ich hätte nie für möglich gehalten zu erleben, was derzeit geschieht (Alter: low-3). Hirn an Herz: Pump mal, mir wird schon so dämmrig. Herz an Hirn: Bin unter Volllast – wir müssen aufrüsten. Ein Badener auf taz.de

Weizen und Mais

„G7 lehnt Exportverbote für Weizen ab“, taz vom 12. 3. 22

Die sprichwörtliche „schwäbische Hausfrau“ hamstert Mehl und räumt die Supermarktregale leer. Ohne Grund, wie versichert wird, eine Unterversorgung oder gar Hungersnot droht bei uns nicht. Dafür aber vor allem in Afrika und Asien, die auf Importe von russischem und ukrainischem Weizen angewiesen sind. Der steigende Weltmarktpreis trifft auch uns. Die deutsche Landwirtschaft hat seit Jahren aufs falsche Pferd gesetzt. Statt Getreide für den deutschen Markt wie für den Export anzubauen, wurden riesige Maisfelder missbraucht. Der Mais wurde nicht etwa für den Verzehr, sondern für die Stromproduktion mit Biogasanlagen gebraucht. Jürgen Fiege, Bremen