„Farbe bedeutet nichts“

Männer sind der Kopf der Familie, Bischof Tutu ist ignorant, weil er für den Einsatz von Kondomen gegen Aids in Afrika ist. Das sagt der südafrikanische Kardinal Wilfrid Napier, der in der engeren Wahl für die Papstnachfolge stand

taz: Herr Napier, welche Rolle spielt die katholische Kirche in der Aids-Debatte in Südafrika?

Wilfrid Napier: Die Kirche spielt eine herausragende Rolle. Nach der Regierung sind wir die größte Organisation, die mit wenig Mitteln gute Arbeit leistet. Neben Armut und Arbeitslosigkeit ist Aids unsere größte Herausforderung. Als vierten Punkt nenne ich Gewalt gegen Frauen und Kinder. Die Herzen der Männer müssen bekehrt werden, dass sie sich an die Rolle als Beschützer erinnern, aber in Zeiten, in denen die Rechte für die Frauen gestärkt werden, ist die Beschützerrolle nicht in Mode.

Wollen Sie zurück zum konservativen Rollenverständnis von Mann und Frau?

Nein, aber Männer müssen lernen, Männer zu sein. Die Geschichten, die allein aus Schulen zu hören sind, der Missbrauch durch Lehrer und Väter, sind unglaublich.

Sollte die Kirche eher den Gebrauch von Kondomen propagieren als Abstinenz, wissend um das menschliche Verhalten?

Es ist wie die Plätzchen, die von der Mutter auf den Küchenschrank gestellt werden und vom Kind nicht angerührt werden dürfen. Doch weil die Mutter weiß, das Kind wird naschen, stellt sie vorsorglich schon die Leiter an den Schrank, damit sich das Kind nicht verletzt. Nein, das unverantwortliche Verhalten muss gestoppt werden, und nur weil einige sich nicht beherrschen können, heißt das nicht, dass es die Richtung für alle anderen sein muss. Zudem haben Kondome wohl in keinem afrikanischen Land geholfen. In Botswana, wirtschaftlich gut gestellt, wird jetzt mehr von Abstinenz vor der Ehe geredet.

Fast die Hälfte der Südafrikaner lebt in Armut. Unternimmt die Regierung genug dagegen?

Kinder gehen hungrig zur Schule und nach Hause. Aber die Regierung greift nicht zu Nothilfemaßnahmen. Sie sollte ein monatliches Basiseinkommen zahlen, aber denkt, mit den Wohlfahrtbeihilfen sei genug getan. Doch viele Menschen sind nicht entsprechend bei den Behörden registriert und erhalten das Geld, das ihnen zusteht, nicht. Essenspakete werden verteilt, aber nicht flächendeckend in allen armen Gegenden.

Was rechtfertigt den Ausschluss von Frauen aus wichtigen Ämtern in der katholischen Kirche?

Es heißt, Frauen könnten alles, was Männer machen. Aber es geht um ergänzende Rollen. Das ist theologisch begründet. Kirche heißt, Jesus zu folgen. Kulturell gesehen, sollen Männer nicht durch Frauen repräsentiert werden, der Mann ist der Kopf der afrikanischen Familie.

Viele Menschen in Südafrika haben gehofft, Sie würden zum Nachfolger von Johannes Paul II. gewählt werden. Wären Sie es gern geworden?

Ich war besorgt, falls ich aus Rom nicht wiederkomme, ob ich alle meine Sachen gepackt habe. Aber ein afrikanischer Papst ist nicht notwendigerweise das Beste für die Weltkirche. Farbe bedeutet nichts.

Der anglikanische Erzbischof Desmond Tutu war nicht glücklich über das Ergebnis.

Und viele Menschen sind unglücklich über ihn. Er ist ignorant und meint, ein afrikanischer Papst könnte mehr in Richtung Kondomgebrauch predigen, aber es geht um die katholische Kirche als Ganzes.

Rassismus ist nach wie vor ein wichtiges Thema in Südafrika. Wird genug dagegen getan?

Das Thema wird nicht ernsthaft genug angesprochen. Präsident Thabo Mbeki und seine Regierung machen es eher schlimmer. Mit Programmen zur Affirmative Action [Gleichstellung am Arbeitsplatz; d. R.] und Black Economic Empowerment [Unterstützung schwarzer Unternehmer; d. R.] führt er die Unterschiede wieder ein, die Klassifizierung, gegen die wir gekämpft haben.

Wie würden Sie die wirtschaftliche Übermacht der Weißen reduzieren?

Nelson Mandela hat es besser gemacht. Er hat seine Sympathie für alle Seiten ausgedrückt, Gespräche geführt. Aber wenn die Regierung die Menschen wieder in Kategorien einteilt, gibt es Konflikte. Die ganz jungen Leute sehen allerdings keine Farbe mehr.

Mandelas Zeit war die Ära der Versöhnung. Glauben Sie, dass Mbeki jetzt durch Reden viel erreichen würde?

Er hätte eine bessere Chance, als durch Gesetze die Weißen in die Ecke zu drücken.

Südafrika im elften Jahr der Demokratie – sind Sie mit dem Kurs zufrieden?

Südafrika macht sich gut. Ich hätte nie gedacht, dass die Beziehungen quer durch das Farbenspektrum der Gruppen – bei aller Problematik – so funktionieren könnten. Aber die Regierung hat diese ultraliberalen Ideen, wie das Eherecht für Homosexuelle und Legalisierung von Abtreibung. Das wird das Gewebe einer Gesellschaft zerreißen. Es besteht die Gefahr, dass wir als Nation ohne Seele enden.

Interview:
Martina Schwikowski