wortwechsel
: Und die Moral von der Geschicht? Gibt es nicht?

Statt russischem Gas stehen jetzt andere „schmutzige Geschäfte“ auf der Tagesordnung? Wird nicht die fossile Energie zum Auslaufgeschäft – sondern die demokratische Moral?

Robert Habeck, Minister für Wirtschaft/Klimaschutz (links), Scheich Mohammed al-Abdullah Al Thani, Minister für Handel/Industrie von Katar (rechts) Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

„Kommentar zu Habecks Reise zum Golf: Schmutzige Geschäfte in einer schmutzigen Zeit“, taz vom 21. 3. 22

Es gibt gute Diktaturen?

Lieber Herr Habeck, herzlichen Glückwunsch zu dieser umweltpolitischen Glanzleistung – Flüssiggas aus Katar mit Schweröl betriebenen Schiffen um die halbe Welt zu schippern, setzt dem Ganzen die Krone auf. Katar ist ein absolutistisch regiertes Emirat. Der Emir von Katar ist gleichzeitig Exekutive und Legislative. Die Scharia ist Grundlage der Gesetzgebung. Aber ich weiß schon, bei den Wokies gibt es gute Diktaturen und böse Diktaturen. Es wird immer grotesker, Scholz will Gas bei Erdoğan kaufen und Habeck in Katar. Gerhard Schöttke, Uhingen

Die Emirate führen seit 7 Jahren einen unerbittlichen Bombenkrieg gegen den Jemen, der in seiner Dramatik das Geschehen in der Ukraine bei Weitem in den Schatten stellt.

Heiko Holtgrave, Dortmund

Die Bilder …

Diese Bilder des sich verneigenden Habeck mit der ausgestreckten Hand zu den Finanziers von islamistischem Terror sind schwer auszuhalten. Aber Hauptsache: keine Kernkraftwerke mehr in Deutschland. Hoffentlich werden wir das nicht noch bereuen. Hans Wurst auf taz.de

Das Foto, das Sie meinen, suggeriert einen Bückling, die Videovariante aber nicht. Habeck ist im Eilschritt auf den Händegruß zugeeilt, und ein Kopfnicken als höfliche Geste ist in Norddeutschland noch sehr populär. Elli Pirelli auf taz.de

Moralisieren macht viel weniger Spaß, wenn Moralisten an der Regierung sind. Aber keine Angst, wenn aus den regierenden Moralisten regierende Opportunisten werden, dann moralisiert es sich auch wieder leichter. Export auf taz.de

Moral? Relativer Begriff?

Alles richtig bis auf den Schlusssatz: „Es ist anders gekommen als erträumt. Schuld daran trägt nicht Robert Habeck, sondern ein gewisser Wladimir Putin.“ Schuld an unserer „Bereitschaft“ zu schmutzigen Geschäften ist nicht Putin, sondern der Tatbestand, dass Moral, wie es im Spiegel zu Recht kommentiert wurde, ein relativer Begriff ist – im Osten wie im Westen. Das sollten wir zur Kenntnis nehmen. So wenig wie die Linie zwischen verantwortungsbereiten Bürgern und denen, die anscheinend auf jegliche Solidarität pfeifen, nicht identisch ist mit der Linie zwischen Geimpften und Nicht-Geimpften, so wenig verläuft die Grenze zwischen schmutzig und nicht schmutzig zwischen Osten und Westen. Corona und der Krieg in der Ukraine tun unter anderem eines: Sie treiben unsere Seerosen, aber auch unsere tiefsten Algen ans Tageslicht. Es tut sehr weh, das auszuhalten. Aber genau darin läge eine Chance. Hingucken und den Schmutz der eigenen Schuhe nicht an fremden Matten abwischen.

Hildegard Meier, Köln

Das Positive …

Sehen wir doch das Positive im Negativen: Das Ende der Energieabhängigkeit von einem Land, das von einem revanchistischen Kriegsverbrecher regiert wird – und die schlecht verdauliche Import-Alternative Katar machen die Notwendigkeit des weniger verschwenderischen Umgangs mit Energie und die der Forcierung erneuerbarer Energiegewinnung umso alternativloser und dringender. Am Ende wartet mal wieder nichts weniger als das Paradies auf Erden. Denn wenn wir das schaffen, produzieren wir nicht nur für unseren Bedarf ausreichend klimafreundliche Energie, sondern machen uns auch unabhängiger bei der Einforderung von menschenfreundlicheren Verhältnissen in repressiv regierten Ländern und beim rechtzeitigen Durchsetzen umfassender Sanktionen, sobald diese als Druckmittel notwendig werden. Wolfram Hasch, Berlin

Im Mittelmeer gibt es ein sehr großes Gasvorkommen. Nur kann man sich nicht einigen, wem es gehört. Eine Nutzung würde uns so manche Probleme abnehmen. Cuba Libre auf taz.de

Vorteil „der Größten“?

Ja, Robert Habeck ist nicht zu beneiden. Einer, der angetreten ist, die existenziell notwendige Energiewende zu beginnen, wird durch die weltpolitische Lage brutal ausgehebelt. Aber so funktioniert Krise, und wir haben zwar hauptsächlich die Klimakrise, aber zugleich eine Krise der internationalen Beziehungen, die auch nicht neu ist. Die Klimakrise ist gemacht von einem Kapitalismus, der sich weltweit durchgesetzt hat und in der jeder Große an der Macht nach seinem Vorteil agiert, so auch Putin, wie schon länger und gegenwärtig am schäbigsten und schlimmsten. Und Deutschland hat bei allem immer schön mitgemacht – zum Nutzen und Profit der Größen dieses Systems. Burkhardt Braunbehrens, Ebertsheim

Fiasko: Düngemittel!

Die allerallergrößte Menge Gas wird für Mineraldünger verbraucht, der angeblich unsere Ernährung sichert, tatsächlich aber seit Jahrzehnten durch Humusabbau unserer Böden das Gegenteil bewirkt und Milliarden in die Kassen der Agrarindustrie pumpt, statt sie in die Hände der bäuerlichen (Bio-)Landwirtschaft zu lenken, die Humus und Arbeitsplätze auf- statt abbaut. Merke: Auch der Mythos „ohne Mineraldünger halbieren sich die Ernteerträge“ ist längst widerlegt. Und die deutsche Düngemittelproduktion geht zu großen Teilen in den Export, etwa nach Brasilien – ausgerechnet in das Land mit dem vermutlich perversesten Agrarsystem weltweit! Sebastian Büttner, Lübeck

Agrosprit hilft?

„Habeck auf Einkaufstour – Landwirte wollen Weizen für Agrosprit anbauen“, taz vom 21. 3. 22

Wir können alle helfen: Heizung aus, Auto in die Garage oder runter vom Gas, weniger Fleisch und Milchprodukte verzehren. Menschen mit geringem Einkommen praktizieren das ständig.

Ulrike Krakau-Brandl, München