Energiehunger so groß wie nie zuvor

Die Kapazitäten auf dem Weltmarkt sind knapp, sagt der Energiekonzern BP. Daran wird sich so bald nichts ändern

BERLIN taz ■ Die Welt hat im vergangenen Jahr so viel Energie verbraucht wie nie zuvor. Gut 10 Milliarden Tonnen an Energieträgern wie Öl, Kohle und Gas waren nötig, um den Hunger der Welt zu stillen, 4,3 Prozent mehr als im Vorjahr. „Mengenmäßig ist es das höchste Jahreswachstum des weltweiten Primärenergiekonsums und das höchste prozentuale Wachstum seit 1984“, sagte Peter Davies, Chefvolkswirt des Energiekonzerns BP gestern bei der Vorstellung des aktuellen Weltenergieberichts in Berlin.

Einer der Gründe für den starken Anstieg im vergangenen Jahr ist weiterhin die chinesische Wirtschaft. 43 Prozent des Zuwachses gingen in das bevölkerungsreichste Land der Erde, dessen boomende Wirtschaft und stetig wachsender Verkehr mittlerweile 13,6 Prozent der weltweiten Energie braucht. Doch auch ohne China ergäbe sich ein „beträchtlicher Verbrauchsanstieg“ um 2,8 Prozent, sagte Davies. Das war doppelt so viel wie in den beiden Jahren zuvor. Und auch außerhalb Chinas sei starkes Wirtschaftswachstum der treibende Faktor.

Weil Energie noch immer vor allem aus Öl, Kohle und Erdgas gewonnen wird, stiegen auch die Kohlenstoffemissionen um 4,5 Prozent, so stark wie seit 1976 nicht mehr und mengenmäßig mehr als jemals zuvor. Auch in den Ländern, die das Kioto-Protokoll ratifiziert haben, stiegen die Emissionen im Jahresvergleich um 0,8 Prozent. Von den großen Verschmutzern könne allein Deutschland niedrigere Emissionen verzeichnen, sagte Davies. „Aber dort war auch das Wirtschaftswachstum gering.“

Die hohe Nachfrage nach Energie hat auch die Preise nach oben getrieben – am deutlichsten spürbar ist dies bei Rohöl. Die Nordseesorte Brent kostete zu Beginn des vergangenen Jahres 30 Dollar je Barrel, im Oktober dann 50 Dollar. Trotzdem blieb die Nachfrage hoch, fast alle Förderkapazitäten mussten mobilisiert werden. „Heute schätzt man die Kapazitäten auf noch 1 bis 1,5 Millionen Barrel pro Tag“, sagte Davies. Bei einem weltweiten Verbrauch von mehr als 81 Millionen Barrel bleibt wenig Spielraum. „Die Weltenergiemärkte befinden sich in einer neuen Situation: dem Beginn knapper Kapazitäten.“

Und weil die Nachfrage in absehbarer Zeit nicht sinkt und der Bau von neuen Bohrinseln und Produktionsanlagen einige Jahre in Anspruch nimmt, wird sich an dem gegenwärtigen Preisniveau nicht viel ändern, sagt Davies „Aus heutiger Sicht liegt der zukünftige Preis für Öl, das 2010 gefördert wird, auf dem gleichen Niveau wie heute.“ Denn auch wenn die Produktionsanlagen derzeit nahezu voll ausgelastet sind – von knappen Ressourcen und einem damit verbundenen starken Preisanstieg geht Davies nicht aus. Für 40 Jahre reichten die nachgewiesenen Ölreserven noch, wenn man die Produktionsrate von heute zugrunde legt – und damit gemessen an den Verbrauchsprognosen sehr knapp rechnet. Allerdings würden auch neue Technologien dafür sorgen, dass die Reserven größer würden.

Für 2005 rechnet der Konzern damit, dass der Energieverbrauch weitersteigt, wenn auch weniger stark als im Vorjahr. Beim Ölpreis sei keine Entspannung in Sicht. „Die grundlegenden Kräfte des Marktes werden lange wirken müssen, bis sich ein durchgreifender Effekt zeigt.“ STEPHAN KOSCH