„Feinde entscheiden“

Verwaltungsrechtler Albert Günther: Ein OB kann ohne Mehrheit regieren, er muss aber Kompromisse schließen

taz: Herr Günther, Düsseldorfs Oberbürgermeister Joachim Erwin hat keine Mehrheit mehr im Düsseldorfer Stadtrat. Wie kann er so überhaupt regieren?

Albert Günther: Nicht sehr gut, denn um in einer Stadt wichtige Entscheidungen zu treffen, braucht man Geld – und über das entscheidet der Stadtrat. Der Haushalt für 2005 steht zwar schon und ist auch mit Koalitionskrise gültig, unvorhergesehene Ausgaben können aber jetzt blockiert werden. Und für das Haushaltsjahr 2006 muss Herr Erwin für jedes Projekt Stimmen aus der Opposition werben, um überhaupt etwas umsetzen zu können. Es kann so keine Verlässlichkeit in Düsseldorf mehr geben.

Wären da nicht Neuwahlen angebracht?

Jetzt kommt es darauf an, wie viele Feinde sich der Oberbürgermeister im Stadtrat gemacht hat und wie konstruktiv die Düsseldorfer Fraktionen in Sachfragen zusammenarbeiten. An und für sich kann eine Minderheitenregierung durchaus funktionieren: Sämtliche politische Prozesse werden dadurch bloß langwieriger, weil immer Kompromisse gefunden werden müssen. Herr Erwin wurde von den Düsseldorfern zum Oberbürgermeister gewählt und ist damit nach wie vor rechtmäßiger Regierungschef – auch ohne eine Mehrheit im Stadtrat.

Um ein Großprojekt wie die Bilker Arcaden zu verhindern, haben die Nachbarstädte die Bezirksregierung eingeschaltet. Gewinnt diese Instanz jetzt an Einfluss?

Nein, die Bezirksregierung kann nur dann in städtische Angelegenheiten eingreifen, wenn die Stadt mit einem Projekt gegen geltendes Recht verstößt. Über ein Einkaufszentrum auf Düsseldorfer Boden wie die Arcaden entscheidet der Rat der Stadt – und der hat das Projekt ja jetzt auch verhindern können. Dass die politischen Mehrheitsverhältnisse in Düsseldorf gekippt sind, ändert nichts am Einflussbereich und an den Möglichkeiten der Bezirksregierung.

Was verändert sich für die Düsseldorfer Bürgerinnen und Bürger?

Wahrscheinlich weniger als früher: Jetzt kann OB Erwin weniger Bauprojekte durchsetzen.

INTERVIEW: MIRIAM BUNJES