Volksbegehren aus der Portokasse

CDU will Teilnahme an Volksbegehren erschweren. Briefeintragung nur gegen Porto. Kurze Öffnungszeiten der Ämter. Kritiker vermuten Schikane

Nach Informationen der SPD und des Vereins „Mehr Demokratie“ will der Senat die Teilnahme an Volksbegehren weiter erschweren. Das ergebe sich aus der neuen „Volksabstimmungsverordnung“, welche die Deputation der Innenbehörde gegen die Stimmen der Opposition beschlossen hat und die demnächst der Senat absegnen wird. Weil es sich nur um eine Rechtsverordnung handelt, die regelt, wie Volksabstimmungen ablaufen sollen, ist kein Bürgerschaftsbeschluss nötig.

Nach Paragraph 7, Absatz 4 der Verordnung dürfen Briefe zur Unterstützung eines Volksbegehrens nicht angenommen werden, wenn sie nicht ausreichend frankiert sind. „Mehr Demokratie“ zufolge wird Hamburg das einzige Bundesland mit einer solchen Regelung sein. „Die Lebenserfahrung zeigt, dass immer dann, wenn Rücksendungen Briefporto erfordern, der Rücklauf deutlich abnimmt“, kritisiert Manfred Brandt vom Verein.

Paragraph 8, Absatz 3 regelt die Zeiten, zu denen Wahlberechtigte auf Ämtern Volksbegehren unterschreiben können. Die Büros sollen montags bis freitags mindestens sechs Stunden geöffnet haben, dreimal die Woche bis 18 Uhr. An mindestens einem Samstag oder Sonntag sollen die Büros mindestens zwei Stunden geöffnet sein. Der SPD-Abgeordnete Andreas Dressel bezeichnete das als „schlechten Scherz“. Weil man Volksbegehren nur noch auf Ämtern unterschreiben kann, „werden vor allem Berufstätige kaum Gelegenheit haben, rechtzeitig ihre Unterschrift zu leisten“, befürchtet „Mehr Demokratie“.

„Es geht der CDU darum, die direkte Demokratie schon auf der Ebene des Volksbegehrens auszuschalten, um es gar nicht erst zu Volksentscheiden kommen zu lassen“, vermutet Dressel. Die Volksgesetzgebung werde so erschwert, dass sie kaum mehr praktikabel sein werde, prognostiziert „Mehr Demokratie“. Das sei „Heuchelei“, sagt Brandt: „Wer keine Volksabstimmungen will, sollte das ehrlich sagen und die Menschen nicht so verhöhnen.“

Es sei unfair, dass die Opposition vertrauliche Beschlüsse der Deputation zerpflücke, sagt der Verfassungsexperte der CDU-Fraktion, Manfred Jäger. Sollte die Verordnung jedoch so beschlossen worden sein, halte er sie für richtig. Die Öffnungszeiten seien „ausreichend“, schließlich hätten die Wahlberechtigten ja drei Wochen Zeit, zu unterschreiben. Und das Porto sei nach dem System des mit CDU-Mehrheit beschlossenen Volksabstimmungsgesetzes logisch: Beim Volksbegehren solle die Amtseintragung im Vordergrund stehen, die briefliche Eintragung sei ausnahmsweise möglich und dürfe daher etwas kosten. Beim abschließenden Volksentscheid dagegen solle vor allem brieflich abgestimmt werden, weshalb die entsprechenden Briefe nicht freigemacht werden müssten.

Die CDU-Mehrheit hatte das Volksabstimmungsgesetz am 27. April in der Bürgerschaft geändert. Volksabstimmungen dürfen jetzt nicht mehr an Wahltagen stattfinden und Unterschriften für Volksbegehren nicht mehr auf der Straße gesammelt werden. Gernot Knödler