Am Endpunkt aller Finanzhilfen

Finanzsenator Nußbaum: Ohne entschiedenes Sparen verspielt die politische Klasse die Zukunft Bremens

taz: Herr Nußbaum, Sie haben in Berlin den abschließenden Sanierungsbericht vorgelegt …Ulrich Nußbaum, Finanzsenator: Das war ein guter Tag für Bremen. Es wurde festgestellt, dass Bremen alle Sanierungsauflagen eingehalten hat.

Warum? Haben Sie Geld gekriegt?Nein, darum ging es gar nicht. Der Finanzplanungsrat hat unseren Bericht positiv gewertet und für sich abgeschlossen.

In der vorbereiteten Abschlusserklärung steht der Satz: „Die Verantwortung für die Sanierungsstrategie liegt allein bei den Sanierungsländern. Die Hilfen sind 2004 ausgelaufen.“So ist es auch. Bundesfinanzminister Hans Eichel war natürlich erleichtert, dass die Hilfen des Bundes nun beendet sind.Weiter steht da: „Die Sanierungsländer sind in der Pflicht, die Konsolidierungspolitik zum Ausgleich ihrer Haushalte konsequent fortzusetzen“. Ende. Kein Wort von Hilfe. Wir sind für unsere Sanierungsstrategie selbst verantwortlich. Das Saarland hat eine andere gewählt, Berlin wiederum eine andere. Das ist die eine Seite. Natürlich gibt es eine Haftungsgemeinschaft, da kommt auch ein Bayer oder Baden-Württemberger nicht raus. Der Gesamtstaat muss damit umgehen, also Bund und Länder. Die Frage ist: Wer zahlt? Hans Eichel sagt: Das Bundesverfassungsgericht hat erklärt, die Verpflichtung des Bundes endet 2004. Das ist so. Wenn wir in Bremen etwas anderes sagen würden, würden wir lügen. Es sei denn, wir kriegen noch einmal einen Anspruch. Freiwillig werden aber auch die Länder nichts zahlen.

Bremen wollte, dass der Finanzplanungsrat wenigstens eine Arbeitsgruppe einsetzt.Wir haben überlegt, was für uns das Ergebnis der Sitzung sein könnte. Das war ja kein Banktag. Aber wir wollten das Verfahren wenigstens offen halten, nicht dass die uns vor dem Kanzleramt verhungern lassen. Das wurde dann ein gemeinsamer Antrag mit dem Saarland. Wir wollten eine Arbeitsgruppe, die sich unverbindlich mit der Situation der Haushaltsnotlageländer befasst. Sonst können die sagen – und werden es auch tun: Der Prozess ist abgeschlossen, das Thema steht nicht mehr auf der Tagesordnung. Die SPD-Länder waren einverstanden, das Saarland war dafür, auch Eichel war nicht dagegen, aber die anderen Länder haben nein gesagt, weil sie Angst haben, dass sie am Ende zahlen sollen.

In der finanzwissenschaftlichen Diskussion ist Konsens, dass bei weiteren Hilfen die Eigenanstrengungen viel stärker sein müssen. Muss Bremen im Blick auf diese Diskussion mit seinen pro-Kopf-Ausgaben deutlich unter den Bundesdurchschnitt gehen?Jeder, der wissenschaftlich an das Bremer Problem herangeht, scheitert. In keinem Buch steht auf Seiten 88 folgende, was wir tun können. Klar ist: Wir werden überhaupt nur Verständnis bekommen, wenn wir weniger pro Kopf-Ausgaben haben als die anderen. Die stecken doch alle in der Scheiße. Neun Länder, hat Eichel gesagt, werden auf Dauer keinen verfassungskonformen Haushalt hinbekommen. Der Bund wird die Maastricht-Kriterien auf Jahre nicht erfüllen können. Der Bundeshaushalt hat ein strukturelles Defizit von 60 Milliarden Euro. Die Republik ist in einer dramatisch schwierigen Situation. Über Steuererhöhungen ist das nicht zu lösen, alle werden hart sparen müssen. Mein Berliner Kollege Thilo Sarrazin hat es für sich nüchtern auf den Punkt gebracht: Der Bund kann große Summen nur bei den Zuschüssen zur Bagis sparen und bei der Bundeswehr, die Länder bei Bildung und Kitas, die Kommunen bei der Sozialhilfe. Der hat nicht um den heißen Brei geredet.

Wenn Bremen macht, was die anderen machen müssen … beeindrucken wir niemanden. Wenn wir nicht mehr sparen, ist die Chance, vor Gericht irgend etwas zu kriegen, gleich null. Da können wir noch fünf Gutachten bestellen, auch vor Gericht wird das nicht entscheidend sein. Das entscheidet sich gesamtpolitisch. Die Klage ist keine Frage der rechtlichen Vorbereitung.

Das bedeutet: Bremen darf erst seine Verfassungsklage einreichen, wenn es keinen neuen Nachtragshaushalt 2004 gibt und die Etatentwürfe 2005 und 2006 vorzeigbar sind?Wenn es allen schlecht geht, geht es beim Hilfeanspruch um die Legitimation. Sie können nicht sagen: Ich habe mir einen reingezogen und ich will noch mehr. Wir gewinnen die Schlacht vor dem Verfassungsgericht nicht nur mit Rechtsargumenten. Die brauchen wir auch – aber entscheidend ist, dass wir die Sparanstrengungen konsequent umsetzen. Wenn wir das nicht schaffen, verspielt die politische Klasse die Zukunft Bremens.

Fragen: Klaus Wolschner