Abriss gegen die Vernunft

In Lakoma, einem Dorf in der Nähe von Cottbus, wurden die letzten bewohnten Häuser vom Energiekonzern Vattenfall abgerissen. Die Begründung: Das Gebiet werde für den Braunkohletagebau gebraucht. Umweltschützer protestierten

von WALTRAUD SCHWAB

Trotz Protest von Umweltschützern sind die letzten bewohnten Häuser des alten Dorfkerns von Lakoma, unweit von Cottbus, abgerissen worden. Kaum waren sie gestern dem Stromkonzern Vattenfall übergeben, da die Nutzungsverträge für diese Gehöfte ausgelaufen waren, rückten die Bagger an. Vattenfall sind diese Häuser lange schon ein Dorn im Auge, werden sie doch vor allem von Naturschützern, Künstlerinnen und Aktivisten des Kulturvereins zur Rettung von Lakoma bewohnt, die zum Sand im Getriebe des Energiekonzerns geworden sind. Das Dorf, zu dem eine 300 Hektar große Teichlandschaft gehört, liegt im Braunkohletagebaugebiet und muss nach Plänen von Vattenfall weg.

Umweltschützer sind seit Jahren anderer Meinung. Sie wollen, dass das Teichgebiet erhalten bleibt. Zur Karpfenzucht war es vor 200 Jahren angelegt worden. Mittlerweile allerdings hat die Natur sich diese Kulturlandschaft zurückerobert. Seltene Schilfrohrsänger, Rohrdommeln, Wiedehopfe, Eisvögel, Fischotter, Käfer, Pflanzen sind hier heimisch – mehr als 170 bedrohte Arten. Darunter ist eine streng geschützte Großkäferart. „Eremit“ heißt sie. Auch die größte europäische Population der vom Aussterben bedrohten Rotbauchunken hat sich in den Gewässern und Erlenbrüchen angesiedelt. Während der Brunft bläst sie sich wie ein Ballon auf und bringt so ihr rotes Punktmuster erst voll zur Geltung.

Der Kampf der Umweltschützer ist in den letzten Jahren nicht erfolglos geblieben. So wurde Vattenfall und der Landesregierung nachgewiesen, dass sie bei der Planung des Kohleabbaus unter Lakoma ein paar Verfahrensfehler gemacht hat. Dass Rotbauchunke und Eremit hier heimisch sind, das hätte bei der Europäischen Union in Brüssel als Flora-Fauna-Habitat gemeldet werden müssen. Auch bei der Planung der Ausgleichsmaßnahmen, mit denen versucht wird, dem Getier auf der anderen Seite der Spree eine neue Bleibe zu schaffen – ganz nach dem Motto: Die Unken werden schon umziehen –, gibt es Mängel. Das 2002 begonnene Planfeststellungsverfahren zum Abbau der Teiche ist noch nicht beendet. Aus Sicht der Umweltschützer sei noch offen, ob am Ende nicht zugunsten der Teiche entschieden wird. „Warum dann die letzten verbliebenen Häuser des Dorfes jetzt zerstören?“, fragt René Schuster, Vorstand des Vereins zur Rettung Lakomas. In einem hat er die letzten zehn Jahre gewohnt.

Der Streit um das Dorf währt bereits mehr als zwanzig Jahre. Lakoma liegt direkt am Rand des ausgewiesenen Tagebaus. Schon zu DDR-Zeiten wehrten sich die 200 Bewohner und Bewohnerinnen gegen den Abriss. Sie wollten nicht, dass ihr Dorf in einem Loch verschwindet, das einmal, in 50 Jahren vielleicht, mit Wasser gefüllt zum Baden einlädt. Das Politbüro blieb hart. Bis auf einen, „den Kossack“, gaben die Leute am Ende auf und gingen. Das Dorf ging in den Besitz des Tagebaus über und wurde am Ende an Vattenfall verkauft. Kossacks Haus allerdings wird stehen bleiben. Die Dichtwand, die das Gebiet außerhalb des Tagebaus vor Wasserabsenkung schützen soll, wurde direkt vor seinem Anwesen gezogen.

Da die weitere Nutzung des Tagebaus nach der Wende ungewiss war, zogen junge Leute in das mittlerweile leer stehende, wenngleich noch intakte Dorf. Sie suchten nach Selbstverwirklichung in Kunst, Kultur und Handwerk und bekamen für die Häuser nach und nach Nutzungsverträge. Die letzten sind nun ausgelaufen. „Dass Vattenfall sofort abreißt, obwohl die Erlaubnis zum Abbaggern der Teiche noch aussteht, zeigt, dass es dem Konzern wichtig ist, uns, die Umweltschützer, loszuwerden“, meint René Schuster. „Es waren hunderte, vermutlich sogar tausende Menschen, denen unser Lakoma der letzten 13 Jahre etwas gegeben hat“, sagte Schuster vor den 100 Leuten, die gegen den Abriss demonstrierten. Einige mussten mit Polizeieinsatz von den Dächern geholt werden.

Peter Fromm, Pressesprecher von Vattenfall Europe, argumentiert dagegen: „Die rechtliche Lage des Dorfs ist klar. Es gehört Vattenfall.“ Der Konzern müsse Vorbereitungen für den Tagebau tätigen. Dafür sei es notwendig, die Häuser abzureißen. Der Eindruck bleibt, dass Vattenfall mit dem Abriss jetzt Tatsachen schafft und hinterher erst bereuen will.

Für den Erhalt des Naturschutzgebietes rufen die Umweltschützer zu regelmäßigen Protestwanderungen an jedem ersten Sonntag eines Monats auf. Um 14 Uhr, Treffpunkt: Storchenhorst in Lakoma. Info: www.lacoma.de