VW-Affäre gerät in den Wahlkampf

Der Rücktritt von VW-Gesamtbetriebsrat Volkert sorgt weiter für Spekulationen – es häufen sich die Dementis. Das konsensorientierte VW-Modell der Mitbestimmung könnte in Gefahr sein, das tausende von Arbeitsplätzen gerettet hat

AUS HANNOVERKAI SCHÖNEBERG

Der VW-Vorstand geht in die Offensive: „Wir haben die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG kontaktiert und beabsichtigen, sie damit zu beauftragen, alle Vorgänge unabhängig zu überprüfen“, sagte VW-Chef Bernd Pischetsrieder in Wolfsburg. Er wolle sich neben den strafrechtlichen Ermittlungen ein unabhängiges Bild verschaffen. Der Autokonzern hatte vor einigen Tagen bereits die Staatsanwaltschaft Braunschweig eingeschaltet, um internen Korruptionshinweisen nachzugehen.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun gegen den inzwischen geschassten Škoda-Personalchef Helmuth Schuster. Er soll von Zulieferern Schmiergelder verlangt und über Strohmänner die Importmärkte in Angola und Indien kontrolliert haben. Zudem wird noch gegen einen zweiten VW-Mitarbeiter ermittelt.

Doch kann die Staatsanwaltschaft bisher nicht erkennen, dass der ehemalige Gesamtbetriebsrat Klaus Volkert in die Affäre verwickelt ist. Der 62-Jährige war am Donnerstag auf einer Betriebsversammlung völlig überraschend zurückgetreten – „in Kenntnis der zu erwartenden öffentlichen Diskussion um scheinbare Unregelmäßigkeiten“. Er habe sich aber „keiner kriminellen Handlung schuldig gemacht“, hieß es in seiner Mitteilung weiter. Intern prüft VW jedoch, ob Volkert mit Schuster an einer Firma beteiligt war, die sich um einen Auftrag von Škoda in Prag bewarb. Dies hatte „Spiegel Online“ berichtet.

IG-Metall-Chef Jürgen Peters und der frühere niedersächsische Ministerpräsident Sigmar Gabriel (SPD) wehrten sich gestern vehement gegen Medienberichte, dass sie in die Bestechungsaffäre verwickelt seien. Gewerkschaftskreise vermuten, dass mit diesen unbewiesenen Behauptungen das konsensorientierte „Modell VW“ attackiert werden soll. Mit dem Slogan „Jobs statt Mäuse“ hatte Gesamtbetriebsrat Volkert immer wieder Arbeitsplätze bei Europas größtem Autobauer gerettet. Im Unterschied zu Opel wurden bei VW mit der Vier-Tage-Woche im Jahr 1993 oder mit dem Tarifabschluss im vergangenen Herbst tausende Arbeitsplätze gesichert.

Gewerkschafter gehen davon aus, dass diese Variante des rheinischen Kapitalismus insbesondere CDU-Ministerpräsident Christian Wulff nicht gelegen kam. Er sitzt im VW-Aufsichtsrat, weil das Land Niedersachsen Großaktionär ist. „Wenn ich Wulff wäre, würde es mich auch nerven, dass der Erfolg bei VW im Gegensatz zu dem steht, was er immer predigt“, sagt ein IG-Metaller. Zum Beispiel das Modell „5.000 mal 5.000“: Während die Union für Billiglöhne plädiere, habe VW so bislang 3.800 Jobs für Arbeitslose geschaffen – wenn auch weit unter VW-Tarif. „Das ist eine Ohrfeige für alle, die sagen, man kann unter den derzeitigen Bedingungen nur im Ausland produzieren“, heißt es aus Gewerkschaftskreisen. Wulff verwahrte sich gestern gegen diese Vorwürfe: Das seien „nur Spekulationen“; er habe „nichts gegen die Mitbestimmung“.

Dennoch ist das „Modell VW“ in Gefahr. Weil das Stammwerk in Wolfsburg derzeit nur zu 70 Prozent ausgelastet ist, will VW bei den Nachtzuschlägen sparen. Bei der letzten Tarifrunde hatte der neue Gesamtbetriebsrat Bernd Osterloh Managementfehler gegeißelt und T-Shirts an die Belegschaft verteilen lassen. Aufschrift: „Wir sind schuld“.

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