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Die Kür ihres Strebens

Kamila Walijewa führt die Konkurrenz nach dem Kurzprogramm an. Ob die erst 15-jährige Eiskunstläuferin im Bereich der illegalen Leistungssteigerung auch führend ist, wird sich erweisen

Im Fokus der Öffentlichkeit: Kamila Walijewa nach dem Kurz­programm Foto: Sebastian Wells/Ostkreuz

Nach einem ganz gut gelungenen Kurzprogramm, das Kamila Walijewa, Russlands Eiskunstlauftalent mit der vermeintlichen Herzschwäche alle Chancen auf den Olympiasieg in Peking eröffnet, konnte die 15-Jährige die Tränen nur mit Mühe zurückhalten. Mit 82,16 Punkten geht die von Doping-Schlagzeilen umtoste Walijewa als Führende in die Kür am Donnerstag. Ob und wann die Top-Favoritin eine Goldmedaille aber tatsächlich bekommen wird, ist unklar.

Von den spärlich besetzten Tribünen im Capital Indoor Stadium in Peking gab es Beifall und aufmunternde Rufe für Kamila Walijewa, als sie als 26. der 30 Starterinnen in einem fliederfarbenen Kleid das Eis betrat. Zum Klavierstück „In Memoriam“ des russischen Komponisten Kirill Richter absolvierte Walijewa bis auf einen Wackler beim Dreifach-Axel sicher und dazu auch ausdrucks- und nervenstark ihr Programm. Ein großes Medienaufgebot und Dutzende von Fotografen hatten am Dienstagabend jede Bewegung der Athletin verfolgt und dokumentiert.

Als die Wertung angezeigt wurde, schüttelte Walijewa auf der Bank neben der Eisfläche leicht den Kopf. Ihr Vorsprung ist nicht groß, Zweite ist die russische Weltmeisterin Anna Schtscherbakowa mit 80,20 Punkten vor der Japanerin Kaori Sakamoto mit 79,84 Punkten. Kommentieren wollte Walijewa ihren Auftritt unmittelbar danach nicht, auch der Pressekonferenz blieb sie fern. Andere kommentierten den Fall Walijewa, in dem täglich neue Kapitel geschrieben werden, allerdings relativ unverblümt: „Hinter dem Jahrhunderttalent steht ein Umfeld, dem der Erfolg alles und der Schutz der Läuferinnen nichts wert ist“, schrieb etwa die Neue Zürcher Zeitung.

Hypoxen fürs Herz

Derweil gibt es Medienberichte, dass Walijewa vor ihrer positiven Dopingprobe die Einnahme von zwei legalen Herzmitteln angemeldet hat. Dies nährt einer Einschätzung der Welt-Antidoping-Agentur zufolge Zweifel an der Darstellung von ihren Anwälten, die verbotene Substanz Trimetazidin sei versehentlich in den Körper der 15-Jährigen gelangt. Wie die US-Nachrichtenagentur AP und die New York Times unter Berufung auf Unterlagen aus dem Eilverfahren bei den Winterspielen in Peking berichten, hat Walijewa die Nutzung von Hypoxen und L-Carnitin auf dem Anmeldeformular vor einer Dopingkontrolle angegeben.

Diese Substanzen in Verbindung mit Trimetazidin seien ein Hinweis darauf, „dass etwas Ernsteres vorgeht“, sagte US-Dopingjäger Travis Tygart. Alle Mittel würden zur Leistungssteigerung eingesetzt. Das schwäche die Glaubwürdigkeit von Walijewas Verteidigungsstrategie, erklärte der Chef der amerikanischen Antidoping-Agentur. In einer Dopingprobe der Europameisterin von Ende Dezember war Trime­tazi­din, das die Blutzufuhr zum Herzen durch Weitung der Blutgefäße fördert, nachgewiesen worden. Der Positivtest wurde aber erst während Olympia in China bekannt. Vom Internationalen Sportgerichtshof CAS erhielt Walijewa die Starterlaubnis für das Damen-Einzel, das sie nach dem Kurzprogramm anführt. Hypoxen und L-Carnitin sollen das Herz stärken. Ihre Einnahme ist unter bestimmten Bedingungen derzeit erlaubt. Walijewas Anwälte hatten in der CAS-Anhörung argumentiert, die Eiskunstläuferin könnte Tri­meta­zidin unabsichtlich zu sich genommen haben, als sie ein Glas ihres Großvaters benutzte.

Sollte Walijewa im olympischen Einzelwettbewerb eine Medaille gewinnen, dann könnte sie sogar am Sonntag am Schaulaufen der Eiskunstläufer teilnehmen. Das berichtete die russische Nachrichtenagentur Tass unter Berufung auf den Eislauf-Weltverband ISU am Mittwoch. Das Internationale Olympische Komitee führt das sprungstarke Mädchen aus Moskau derweil mit einem „Sternchen“, Hinweis auf den prekären Status der Russin, die im Nachgang der Olympischen Spiele von Peking noch als Doperin gebrandmarkt werden könnte. (dpa, taz)

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