Mit Oskar nach Berlin: Hüseyin Aydin

Der ehemalige Stahlarbeiter und hauptberufliche IG-Metall-Sekretär Hüseyin Aydin will für die Linkspartei in den Bundestag einziehen. Doch in der WASG hat er nicht nur Freunde: Gegner bezeichnen den Duisburger als „autoritär“

Gut, dass Oskar Lafontaine Hüseyin Aydin hat. Beim gestrigen Bundesparteitag der Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG) in Kassel kannten zwar alle WASG-Mitglieder den neuen Parteipromi. Aber Lafontaine selbst kennt seine neuen Parteifreunde kaum. Deshalb fasste der 42-jährige Aydin den früheren Bundesfinanzminister freundschaftlich am Unterarm und stellte ihm einige NRW-Delegierte persönlich vor. Scherzend gingen Aydin und Lafontaine durch die Parteitagsreihen. Dem Ex-SPD-Chef und WASG-Spitzenkandidat schien die Begrüßungs-Tour zu gefallen. Und Hüseyin Aydin hatte auch Spaß an seiner Rolle.

Hüseyin Aydin kennt die WASG, er gehört zu den Gründungsmitgliedern der Partei. Im Frühjahr 2004 traf sich der Duisburger gemeinsam mit weiteren Gegnern der rot-grünen Reformen, um eine neue Oppositionsbewegung an den Start zu bringen. Gegen Hartz IV und die „asoziale“ Berliner Politik, wie Aydin gerne sagt. Er wurde zunächst Landeskoordinator, später Landessprecher der WASG. Jetzt kandidiert der frühere Stahlwerker und ThyssenKrupp-Betriebsrat Aydin für die wahrscheinliche Bundestagswahl. Obwohl er den Sprecherposten wegen der Trennung von Amt und Mandat aufgeben musste, ist er weiterhin der starke Mann der WASG in NRW. Aydins Führungsstil bezeichnen seine innerparteilichen Gegner als „autoritär“, seine Unterstützer loben den Arbeitseifer des hauptberuflichen IG-Metall-Sekretärs.

Aydins Aufstieg hat wohl auch damit zu tun, dass ihn viele im hochintriganten WASG-Mittelbau lange Zeit eher unterschätzten. Als großer Redner etwa war der Mann in den meistens grauen Anzügen nicht aufgefallen. Ganz im Gegenteil: Bei den ersten, basisdemokratisch-chaotischen Landeskonferenzen der Wahlalternative schrie er die Delegierten zuweilen regelrecht an.

Doch die Brüll-Ansprachen hat sich Aydin abgewöhnt. Und als eine gute Rede gefragt war, hat er sie gehalten: Vor zwei Wochen, beim WASG-Landesparteitag in Köln. Ähnlich wie der neue Parteipromi Oskar Lafontaine musste Aydin seinen Beitrag unter Buhrufen und Pfiffen der Linksbündnis-Gegner beginnen. Doch Aydin gelang es, mit seiner Rede die Stimmung zu kippen.

Die größte Überzeugungsarbeit für das neue Linksbündnis erledigte danach Lafontaine mit seiner Kölner Rede. Aydin nennt ihn meist beim Vornamen. „Oskar“, sagt er lachend und kokettiert gern damit, er stehe mit „Oskar“ in Kontakt. Das gilt in WASG-Kreisen als Beleg großer Wichtigkeit. Selbst die umstrittene „Fremdarbeiter“-Äußerung von Lafontaine kommentiert der Deutsch-Türke nicht kritisch. „Wir haben jetzt genug Zeit, mit Oskar alle politischen Themen zu diskutieren“, erklärt der Funktionär diplomatisch.

Sein Migrationshintergrund macht Aydin zu einem Exoten in einer sehr deutschen Partei. In seiner Freizeit reist der Familienvater gern. Brasilien ist Aydins Lieblingsland. „Fremde Länder und Kulturen interessieren mich“, sagt er.

Wenn an diesem Montag innerhalb der Wahlalternative eine Mitgliederbefragung über die neue Linkspartei beginnt, rechnet Aydin mit einer klaren Mehrheit. „Etwa zwei Drittel der Mitglieder werden für ein Bündnis mit der PDS stimmen“, sagt er. Und wenn im Herbst tatsächlich Bundestagswahlen stattfinden, ist Aydin wohl dabei. Er soll einen vorderen Listenplatz bekommen – die WASG-Basis hat ihn dafür vorgeschlagen. Stimmen die aktuellen, zweistelligen Umfragezahlen der Linkspartei, dann sitzt Hüseyin Aydin aus Duisburg bald als Abgeordneter im Bundestag. Vielleicht neben Oskar Lafontaine. KLAUS JANSEN,

MARTIN TEIGELER