Wo der Fußball zur Hilfe kommt

Das Engagement von Benjamin Adrion mit seinem Projekt „Viva con Agua de Sankt Pauli“ zeigt, dass selbst Drittligaspieler mit Eigeninitiative fernab des Charity-Gedankens Hilfe leisten können. Ein Besuch auf Kuba zeigt die offenen Türen

von OKE GÖTTLICH

Was müsste wohl passieren, damit der deutsche Sportminister Otto Schily seinen kubanischen Amtskollegen Umberto Rodriguez Gonzales empfangen würde, oder umgekehrt? Eine Frage, die während des Besuchs im restsozialistischen Kuba unbeantwortet blieb. Man kann nur ahnen, dass es für Drittliga-Spieler wie Benjamin Adrion vom FC St. Pauli ungleich einfacher ist, einen Termin bei einem Minister in Fidel-Land zu bekommen, als andere Diplomaten.

Adrion ist Diplomat in Sachen Wasser. Der Fußballer engagiert sich seit dem Trainingslager des FC St. Pauli auf Kuba im Winter für eine ausreichende Trinkwasserversorgung in Kindergärten und Schulen. Gemeinsam mit der Deutschen Welthungerhilfe (DWHH), dem FC St. Pauli und den vielen politisch interessierten Fanvereinigungen und engagierten Personen im Umfeld des Stadtteils St. Pauli sollen weitere 100 Kindergärten mit Wasserspendern mit antibakteriellen Filtern und Kühleinrichtungen ausgestattet werden. „Das Trainingslager vor Ort war die Basis um auf die vorhandenen Kontakte zurückzugreifen und mit der Welthungerhilfe gemeinsam dieses Projekt anzuschieben“, beschreibt Adrion. Eine Verknüpfung, die verdeutlicht, weswegen Adrions Projekt „Viva con agua de Sankt Pauli“ (www.agua-sanktpauli.org) sich zunächst auf Kuba beschränkt, obwohl Bildung und Gesundheit für alle Bevölkerungsschichten trotz aller wirtschaftspolitischen Probleme einen hohen Stellenwert besitzen.

Dennoch sind längst nicht alle Kindergärten mit hygenisch einwandfreiem Wasser versorgt. Schäden am öffentlichen Wassersystem und die stark schwankende Qualität erfordern ständiges Abkochen des Leitungswassers. So berichtet die Direktorin des Horts „Elpidio Valdes“, Maria del Carmen Borges Iribar, wie hilfreich die Wasserspender für sie seien. „Früher haben wir aus dem abgekochten Wasser erst Eis gemacht. Das haben wir gebraucht, um das nächste abgekochte Wasser zu kühlen.“ Die kühlenden Wasserspender seien eine Wohltat. Nicht die einzigen schmeichelnden Worte die Adrion zuteil werden. „Du bist der beste Freund, den ich habe“, ruft ihm ein Junge nach einer Fußballeinheit zu, eine andere Gruppe sagt ein Revolutionsgedicht für Adrion auf, in dem der Che eine wichtige Rolle spielt. „Das sind Momente, die einen berühren aber auch zeigen, wie man die Menschen mit einem Spiel wie Fußball erreichen kann“, so Adrion.

Selbst die kubanische Nationalmannschaft steht versammelt Spalier, um den Regionalligisten zu begrüßen. Dabei hatten sie in den zwei Testspielen im Trainingslager des FC St. Pauli doch kein Spiel verloren und den Kiezclub sogar im letzten Spiel 3:1 besiegt. Weswegen der Sportminister sich auch gleich erkundigt, ob St. Pauli denn nun besser Fußball spielen würde. Es war ein kleiner Seitenhieb auf das bislang vermisste Engagement des Vereins, der den Kubanern für diesen Sommer einen Traineraustausch versprochen hatte.

„Da müsse der Verein den Ball eben wieder aufnehmen“, so Adrion. Er sorgt sich gerade um die finanzielle Ausstattung des Hilfsprojekts. Als Drittligaspieler kann er bis auf seine ehrenamtliche Arbeitskraft finanziell kaum etwas beitragen. „Hier geht es nicht um ein bisschen Charity, sondern um ein Vollzeit-Engagement.“ Sein Aufwand bestehe aus mehr Dingen „als nur das Gesicht in die Kamera zu halten“. Natürlich habe er durch die Zusammenarbeit mit dem FC St. Pauli einen größeren Hebel als bei anderen Drittligisten. Das kreative Umfeld des Stadtteils und des Vereins, die über viele Probleme auf der Welt aufgeklärt sind, vereinfachen ihm die Überzeugungsarbeit. Er lädt Leute wie Peter Lohmeyer und Gregor Gysi, Musiker wie auch Graphiker und Internetspezialisten ein, sich an seinem Hilfsnetzwerk zu beteiligen. „Aber niemand tut was, wenn ich nichts tue“, so Adrion.

Die Deutsche Welthungerhilfe zeigt sich beeindruckt von der Leistung. „Es ist nicht wie bei Prominenten der Bekanntheitsgrad, der das Hilfsprojekt trägt, sondern Benjamins Auftreten“, sagt Mitarbeiter Konstantin Muffert. „Es gibt kaum eine Woche wo das Telefon nicht mehrmals klingelt und Benjamin wieder eine Idee hat, um das Projekt finanziell wie öffentlich voranzutreiben. Es ist ungewöhnlich und selten so direkt mit jemandem zusammenzuarbeiten, der so engagiert ist“, freut man sich bei der DWHH.

Die 50.000 Euro, die zunächst als Summe für die Aufstellung weiterer Wasserspender bewilligt werden, sollen nun durch Spendenläufe, Konzerte und Aktionen finanziert werden. So wird auf dem DJ-Festival um das Millerntor am 16.7. ein Wasserstand aufgestellt, um auf die Probleme der Trinkwasserversorgung aufmerksam zu machen. Das dort verkaufte Wasser kommt direkt „Viva con agua de Sankt Pauli“ zu Gute. Aktionen wie der Spendenlauf einer Schule in Kuhstedt brachten die ersten Spendengelder zusammen. „Es ist einfach wunderbar, Kinder, den Stadtteil, Fans und den Verein einen kontinuierlichen Beitrag leisten zu lassen, um St. Pauli als engagierten Stadtteil zu präsentieren.“ Dafür nutzt Adrion jede fußballfreie Minute.

Spendenkonto: DWHH, Sparkasse Köln-Bonn, Konto: 1115, BLZ: 38050000, Stichwort: Sankt Pauli