WAS MACHEN EIGENTLICH ... die Mauerkreuze?
: Höheren Segen erfahren

Jetzt schreibe ich etwas, das beim ersten Lesen unsinnig erscheinen mag. Aber denken Sie mal kurz drüber nach. Abgemacht? Abgemacht. Also: Die Mauerkreuze am Checkpoint Charlie und Musicals haben viel gemeinsam. Genauer gesagt sind es weniger die 1.065 Holzkreuze selbst als deren Inszenierung. Und das kommt so: Sowohl bei den Mauerkreuzen wie beim Musical kommt es vor allem auf eines an: auf den Effekt.

Laut „Duden“ handelt es sich dabei um ein „auf Wirkung abzielendes Ausdrucks- und Gestaltungsmittel“. Der schüchterne Bursche namens „Inhalt“ muss regelmäßig in den Hintergrund treten, wenn sein raubeiniger Bruder „Wirkung“ die Bühne betritt. Beim Musical ist das so, genauso wie bei den Mauerkreuzen. Die Regisseurin des Mauerstücks heißt bekanntlich Alexandra Hildebrandt, ist Chefin des Museums am Checkpoint Charlie und inszeniert sich seit Jahren als Jeanne d’Arc der Mauertoten. Mit wechselndem Publikumserfolg, oft von der Absetzung bedroht, aber mit bis heute laufendem Programm.

Hildebrandts Ausdrucks- und Gestaltungsmittel sind an unhistorischer Stelle nachgebaute Mauerteile, Wachhäuschen mit als Soldaten verkleideten Komparsen, meterhohe Grabkreuze ohne Gräber. Und nun auch noch ein Weihespiel: Heute Abend um 19 Uhr will Pater Vinzens von der Gesellschaft des Göttlichen Heilands (SDS) die Kreuze segnen. Elf Stunden vor dem anberaumten Räumungstermin. Vielleicht ist es ja der Beginn des letzten Akts. Sehr effektvoll. MLO, FOTO: AP