wortwechsel
: Zwischen Altkanzler, Amnesty und Naturliebe

Distanz zu Gerhard Schröder ist nicht nötig; hegemoniales Streben der USA in der Ukraine? Amnesty International nennt Israel Apartheidstaat. Naturheilkunde in der Pandemie

Auf Distanz zum Altkanzler Schröder? Foto: Paul Zinken/dpa

SPD und Altkanzler

„Gesprächskreis ohne Kanzleramt“,

taz vom 1. 2. 22

Lieber Herr Reinecke, Ihre Ratschläge mögen gut gemeint sein bei der Einschätzung der Situation Russland/Ukraine. Wenn man glaubt, die Schuldigen zu kennen, ist es leicht, mit einer Täter-Opfer-Umkehr zu argumentieren. Ich sehe in der Kritik beziehungsweise den Forderungen von Gerhard Schröder nichts Falsches und kann deshalb auch nicht nachvollziehen, dass die SPD sich von ihm distanzieren sollte. Wenn Sie behaupten, Russland wäre der Angreifer und die Ukraine wäre der Angegriffene, so ist das ja Gott sei Dank (noch) falsch, beide Seiten fühlen sich bedroht, verständlich, da ein Sicherheitsbedürfnis auf beiden Seiten besteht. Wobei ich die Krim nicht vergessen habe!

Günter Lübcke, Hamburg

Korsett

„Distanziert Euch von Schröder“,

taz vom 31. 1. 22

In der Tat hat Russland nichts in der Ukraine zu suchen. Die imperialen Ambitionen des russischen Zarenreichs und der nachfolgenden Sowjetunion sind Vergangenheit und sollten es auch bleiben. Ebenso eindeutig haben auch die USA in der Ukraine nichts verloren. Sie verfolgen lediglich ihre hegemonialen Bestrebungen, die sie mit einem globalen Netzwerk militärischer Standorte und der Nato absichern. Die Ukraine hat es also mit zwei Aggressoren zu tun: Russland und den USA. Diese Konstellation ist nicht neu und nennt sich kalter Krieg, der nie vorbei war. Geändert hat sich lediglich die Rhetorik und die ist wieder da, wo sie 1947 mit der Truman-Doktrin begonnen hat. Die Vereinnahmung der Ukraine in das Korsett der Nato und des Neoliberalismus durch die USA und ihre ideologischen Mitläufer darf nicht passieren.

Dieter Schönrock, Hamburg

Besetzt oder befreit?

„Distanziert Euch von Schröder“,

taz vom 31. 1. 22

Durch die Verschärfung der Euromaidan-Krise 2014 musste Russland unmittelbar den Beitritt der Ukraine zur EU und Nato befürchten. Die Annexion der Krim mit der für sie hochwichtigen Militärbasis Sewastopol war für die Russen Notwehr – möglicherweise putativ. Die Stimmung der Menschen auf der Krim nach acht Jahren unter Putin sollte erforscht werden, fühlen sie sich besetzt oder befreit? Im Vorfeld der Maidan-Krise war erkennbar, dass die Bevölkerung in der Ostukraine einen EU- und Nato-Beitritt ablehnt und eine Annäherung an Russland will. Die Verschärfung der Krise und die Vertreibung des 2010 gewählten russlandfreundlichen Präsidenten Janukowitsch hatte 2014 die Ostukrainer in eine bedrohliche Situation gebracht, der sie zunächst mit eigenen Milizen und dann mit russischer Unterstützung begegnet sind. Die 100 000 Soldaten sind eine Drohgebärde, mit der Russland erreichen will, dass der Westen seine Sicherheitsinteressen endlich ernst nimmt.Dass die russische Erklärung, es sei kein Einmarsch geplant, von der Güte ist wie seinerzeit die Zusage der Nato, es sei keine Erweiterung nach Osten geplant, ist wohl nicht zu befürchten.

Peter Bläsing, Bonn

Rote Linie

„Auch Amnesty wagt das A-Wort“,

taz vom 1. 2. 22

Das Thema von Amnesty International ist die Behandlung der Palästinenser – sowohl in der Westbank als auch in Israel, eine Trennung, die ja von der israelischen Regierung zunehmend verwischt wird. Für die Westbank sieht anscheinend auch die Autorin die Kriterien der Apartheid erfüllt, konzentriert sich aber dann nur auf Israel selbst. Aber was passiert denn in Israel? Wenn das nation state law als Beleg für Apartheid nicht reicht, auch nicht die Vertreibung der palästinensischen Familien in Jerusalem aus ihren Häusern, auch nicht die Behandlung der Beduinen in den von der is­rae­li­schen ­Re­gie­rung geleugneten Dörfer im Negev, nicht die Abschaffung der arabischen Sprache als offizielle Sprache für die 20 Prozent israelisch-arabischen Staatsbürger, und auch nicht die Verhinderung von palästinensischer Bautätigkeit in Israel, nicht die regelmäßigen Aufrufe von führenden Politikern an die israelische Bevölkerung in Israel, nicht an Palästinenser zu vermieten – wo ist denn dann für Judith Poppe die „rote Linie“ erreicht?

Andreas Grüneisen, Berlin

Auseinandersetzen

„Auch Amnesty wagt das A-Wort“,

taz vom 1. 2. 22

Es ist bedauerlich, dass auf den Bericht von Amnesty International (AI) mit dem Vorwurf der Apartheid-Verbrechen gegen die israelische Regierung von der taz wie auch vom Zentralrat der Juden in Deutschland nur wieder die altbekannte Reaktion kam: „Israelbezogener Antisemitismus“. Statt sich inhaltlich mit den Vorwürfen auseinanderzusetzen. Dabei ist dieses Vorgehen geradezu geeignet, den virulenten Antisemitismus in unserer Gesellschaft zu fördern. Denn obwohl der Bericht sich auf die Praktiken der israelischen Regierung bezieht, wird mit dem Antisemitismus-Vorwurf das gesamte Judentum für diese Politik mit in die Verantwortung genommen. Das ist mit dem AI-Papier ausdrücklich nicht gewollt. Außerdem stehen bedeutende Teile der jüdischen Community in Israel, den USA und teilweise auch bei uns dieser Apartheid-Politik kritisch bis strikt ablehnend gegenüber. Rainer Kandler, Bonn

Stimme im Chor

„Naturgläubig zwischen den Wipfeln“, taz vom 2. 2. 22

In etwa diesem Stil hat die Presse vor über 40 Jahren gegen die Umweltschützer und gegen die Friedensbewegung, die auf das Waldsterben aufmerksam machten und gegen die Stationierung der Pershing-II-Raketen unterwegs waren, geschrieben. Polizeisprecher und Sektenbeauftragte waren damals ebenso überzeugt, dass solches Verhalten der Demokratie und dem Gemeinwohl schaden würde. Wir, die wir nicht im Mainstream dachten und andere Politik- und Lebenskonzepte anstrebten, wurden facettenreich diffamiert und viele unserer Handlungen wurden kriminalisiert. Mit Beharrlichkeit und auch immer wieder mit Humor: „Wir sind diejenigen, vor denen uns unsere Eltern immer gewarnt haben!“, haben wir dazu beigetragen, dass die GRÜNE RAUPE auch durch Bayern ziehen konnte. Trotz katholischer Kirche und Sektenneauftragten, trotz Bayern Kurier und Bild-Zeitung konnte sich eine Grüne Partei gegen viele Widerstände etablieren und die taz, sie wurde zu unserem Sprachrohr. Die taz war unsere Plattform, sie war die schräge Stimme im Chor, kritisch, bunt, aufgeregt und streitlustig. Monika Ott, Nenzenheim

Homöopathie

„Naturgläubig zwischen den Wipfeln“, taz vom 2. 2. 22

In diesem Artikel wird die wissenschaftliche Evidenz zum Maßstab erklärt. Ein paar Zeilen später wird aber völlig evidenzfrei assoziiert, dass die ImpfgegnerInnen unter anderem an Homöopathie „glauben“, weil sie aus dem Alpenvorland stammen, wo Naturheilkunde oft in Anzeigenblättern beworben wird. Nicht einmal in der zitierten Quelle ist ein Zusammenhang zu den ImpfgegnerInnen zu erkennen.Ich schreibe dies, weil ich es sehr schade finde, gegen Homöopathie Stimmung zu machen. Die Mittel wirken anders als die Medikamente der Schul­medizin und können daher auch nicht mit den gleichen Tests ausgewertet werden. Ulrike Wache, Bremen

8 Prozent

„Zahl des Tages“, taz vom 3. 2. 22

Wenn nur 8 Prozent der Transporte deutscher LKW über eine Strecke von mehr als 300 Kilometer gehen, dann hat der übrige Lastverkehr auf der Straße kein Reichweitenproblem. Vorausgesetzt, die Lade­infrastruktur an den Destinationen stimmt. Wenn schon LKW, dann wenigstens mit vergleichsweise saubererem Antrieb. Peter Stegmaier, Dortmund