KOPENHAGEN WILL NICHT NUR DIE MEDIEN AUF LINIE BRINGEN
: Vom Kulturkampf zum totalen Staat

„Diese jämmerliche Sklavennatur durchsäuert die gesamte dänische Gesellschaft.“ Das verkündete Dänemarks Regierungschef Rasmussen vor 12 Jahren in seinem liberalen Manifest, das er nun in praktische Politik umsetzen will: „Wir wollen von Grund auf mit diesen kollektivistischen Normen abrechnen, die wir mit der Muttermilch eingesogen haben.“ Der Klassenkampf ist vorbei. Es geht nicht mehr um ökonomische Interessen, sondern um Werte. Kulturkampf ist angesagt.

Keinen Klartext gesprochen zu haben, kann man Rasmussen wirklich nicht vorwerfen. Die Hauptgegner, die er erkannt haben will: die, die unter dem journalistischen oder wissenschaftlichen Deckmantel in Medien oder Universitäten an kollektivistischen Normen und vermeintlichen Wahrheiten festhalten. Im Bereich der Ausländerpolitik konnte dieser Kulturkampf bereits gewonnen werden. Wer immer noch von einer humanistisch-toleranten Warte aus argumentiert, gilt als ewig gestrig. Werden Ausländerskepsis und nationale Einstellung erst einmal zur absoluten Norm, kann die Gesetzgebung ohne große Debatte die Schraube anziehen. Genau so will Rasmussen die anstehenden Sozialstaatsreformen angehen. Nicht erst eine Agenda 2010 und einen Hartz-IV-Hammer und der anschließende Versuch der Überzeugungsarbeit. Sondern erst die Umpolung des Wertemaßstabs. Wir wollen keinen teuren und übertrieben sorgenden Sozialstaat. Wenn alle guten Kräfte gebündelt werden, jeder sein Schicksal in die Hand nimmt und auf übertriebene Forderungen verzichtet, geht es doch viel besser.

Aber was passiert mit einem Land, in dem die politische Macht die Werte der Bevölkerung in eine bestimmte Richtung lenken und unbequeme Opposition über Budgetentzug und Selbstzensur ausschalten will? „Vom Sozialstaat zum Minimalstaat“, überschrieb Rasmussen sein Manifest. Ein Minimalstaat, der wohl einige Probleme hat, sich mit einer oppositionellen Öffentlichkeit zu arrangieren. Da er sie am liebsten mundtot machen möchte, droht etwas anderes. der totale, nicht der minimale Staat. REINHARD WOLFF