LESERINNENBRIEFE
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Kommt ein München 21?

■ betr.: „Münchner stoppen Startbahn 3“, taz vom 19. 6. 12

Seit 1949 regiert die Kommunistische Partei China, seit 1961 herrscht in Kuba die Diktatur. Eine ähnlich lange Amtszeit kann nur die bayrische CSU vorweisen. Diese beherrscht die Weißwurstrepublik seit 1957. All diesen Systemen ist gemeinhin der Wille seines Volkes egal. Nur hat da wohl jemand vergessen, dass es bei uns Wahlen gibt, sieht die Verfassung so vor. Vielleicht wird es ja wahr und wir erleben ein zweites Stuttgart 21 mit all seinen Umbrüchen.

Wir haben überall in der Republik Debatten über Fluglärm, weitere Startbahnen und die unverhältnismäßige CO2-Emission, die der Luftverkehr mit sich bringt. Andererseits fahren in dieser Republik Züge ohne Passagiere, obwohl eine Bahnreise einem Inlandsflug mit Check-in (+ Anreise) zeitlich kaum unterlegen ist. Grund dafür ist der Kerosinpreis von derzeit 0,72 Dollar/Liter. Wann haben Sie so etwas zuletzt an der Zapfsäule gesehen? Aber nein, bevor wir das Flugbenzin besteuern und den Staatshaushalt damit entlasten, subventionieren wir lieber die Bahn mit einigen Milliarden jährlich. Dabei bietet uns die Europäische Union seit 2003 die Möglichkeit, Kerosin zu besteuern. Aber das geht ja nicht, da würden Arbeitsplätze beim innerdeutschen Linienflugverkehr verloren gehen, die anderswo bei der Bahn neu entstünden. HANS SPÖRL, Rennertshofen

Lachen oder weinen

■ betr.: „Morgens essen sie Tee“, taz vom 18. 6. 12

Man weiß nicht, ob man lachen oder weinen soll, wenn man das gelesen hat. Die Bandbreite der Tragik des Zustandes unseres Planeten wird hier deutlich. Man begreift das völlig mangelhafte Verständnis der reichen Industrienationen für die Lage der wirklich Armen. (Dass Umweltschutz so unmenschlich sein kann, war auch mir neu.) Wahrscheinlich wäre aber auch der Umwelt mehr damit gedient, wenn man in die Bildung und Ernährung solcher Menschen investieren würde, die ohne jede Bedenken dermaßen unglaubliche Giftcocktails auf ihre Bohnen sprühen. BARBARA KELBER, Langenzenn

Goldene 70er und 80er Jahre

■ betr.: „War früher alles besser?“, taz vom 16. 6. 2012

Natürlich hat der Spruch, früher sei alles besser gewesen, auch mit Nostalgie zu tun, also damit, dass unser Gedächtnis glücklicherweise dazu neigt, Vergangenes eher zu verklären als kritisch zu sehen. Es gibt aber auch eine objektive Komponente beim Thema Nostalgie: So gehöre ich, der ich die im Westen rückblickend vergleichsweise goldenen 1970er und 1980er in der Blüte meiner Jugend erlebt habe und seitdem unter der Vereinnahmung der Weltgesellschaft durch den Raubtierkapitalismus leiden muss, zu denen, die objektiv Anlass haben, einer besseren Zeit nachzutrauern. Ähnlich erging es auch der Generation meiner Großeltern, die die Zeit des dreißigjährigen Krieges des 20. Jahrhunderts (1914 bis 1945) mit der ausgehenden Kaiserzeit verglichen. Anders musste es jedoch die Generation meiner Eltern erleben, wenn sie die goldenen 1970er und 1980er mit der Weltkriegszeit verglich. Und was die Generation meiner Kinder und Enkelkinder betrifft, so hoffe ich, dass es ihnen einmal so ergehen wird wie meinen Eltern, wenn sie nämlich den heutigen totalitären Neoliberalismus mit einer diesen hoffentlich bald ablösenden neuen Gesellschaft werden vergleichen können. ORTWIN ZEITLINGER, Berlin