Kreativität aus der Nische

FOTOAUSSTELLUNG Vor allem Nischenmagazine begeistern: Die Ausstellung VisualLeader präsentiert im Haus der Photographie in den Deichtorhallen bis Ende August zum neunten Mal die Nominierten und Gewinner des renommierten Medienpreises Lead-Awards

Mit über 50 Exponaten machen Zeitschriften den größten Teil der Ausstellung aus

VON BIRK GRÜLING

Grundsätzliche Sorgen um die Kreativität der Medienbranche scheint sich Markus Peichl nicht zu machen. „Der Mensch ist von Natur aus kreativ und wird das auch bleiben. Das Einzige, was sich verändern kann, sind die Produktionsverhältnisse.“ Dieser Medienwandel zeigt sich auch in der Visual-Leader-Ausstellung im Haus der Photographie der Deichtorhallen. So werden zum 20-jährigen Jubiläum der Lead-Awards erstmals auch Tageszeitungen in einer Kategorie des renommierten Medienpreises ausgezeichnet und in der Ausstellung präsentiert.

Grund dafür ist der Wandel in der Bedeutung des Mediums. Weil das Internet in Sachen Aktualität längst zu einer Hauptnachrichtenquelle geworden ist, erfindet sich die klassische Tageszeitung derzeit neu: „Von der Aufmachung und der Themensetzungen nutzen Zeitungen immer häufiger klassische Magazinelemente. Die Reportage von der Seite 3 finden wir nun in allen Teilen“, erklärt Peichl, Vorsitzender der Lead-Academy und selbst mehrfacher Magazingründer.

Zu den in der Ausstellung gezeigten Zeitungsleistungen gehört zum Beispiel eine Ausgabe der Welt, die komplett von dem New Yorker Künstler Ellsworth Kelly gestaltet wurde oder die sogenannte Ost-West-Ausgabe der Berliner Zeitung B.Z. Bei dieser fehlen im ehemaligen Osten der Hauptstadt alle Berichte aus dem Westen und im Westen die Berichte aus dem Osten. Ziel der Redaktion war es, das Gefühl des geteilten Berlin journalistisch zu veranschaulichen. „Viele dieser Experimente funktionieren wunderbar auf großformatigem Zeitungspapier und stechen so positiv aus dem Alltagsgeschäft heraus“, erklärt Peichl.

Mit über 50 Exponaten machen aber die Zeitschriften den größten Teil der Ausstellung aus. Zu sehen sind dabei unter anderem eine sehr eindrucksvolle Bildstrecke aus dem Stern anlässlich des zehnten Jahrestages der Anschläge auf das World Trade Center, ein Beitrag aus dem Magazin der Süddeutschen Zeitung über die Katastrophe in Fukushima sowie eine Reportage aus dem Zeit-Magazin über die Sehnsucht, aus dem Alltag zu fliehen.

Doch nicht nur die Platzhirsche der Branche punkten durch ihre Kreativität. Gerade kleine Nischenmagazine wie Kraut, Muh oder das Fotomagazin Die Nacht begeistern regelmäßig die Jury und das Publikum. In der Popkulturzeitschrift Spex erschien beispielsweise eine Fotostrecke über die ungeschminkte Lady Gaga und das Vice-Magazin mit seiner sehr eigenen Sprache und Aufmachung zählt auch dieses Jahr wieder zu den Nominierten. „Die große Heterogenität ist ein guter Beleg für die Vielfalt und die kreative Bewegung auf dem Printmarkt“, ist Peichl angesichts der Auswahl an Sehenswertem glücklich.

Eine Begeisterung, die auch die Besucher teilen. Mehr als 45.000 Besucher sahen im letzten Jahr die VisualLeader. Darüber, dass die Ausstellung nicht nur von Fachpublikum besucht wird, ist Peichl immer wieder etwas überrascht. „Die Ausstellung funktioniert jedes Jahr besser als gedacht. An den Wänden hängen eigentlich nur Zeitungsseiten und Fotos aus Magazinen, trotzdem bezahlen die Besucher dafür Eintritt. Der einzige Unterschied zum Zeitungslesen ist doch nur die Kuration und die Fokussierung auf die besten Sachen“, schmunzelt der Journalist.

Mit acht Euro Eintritt kostet die Ausstellung sogar mehr Geld als die meisten Magazine und gleichzeitig bekommen viele der gezeigten Arbeiten auch noch eine höhere Aufmerksamkeit als in ihrer ursprünglichen Erscheinungsform.

■ Do, 21. 6. bis 26. 8., Deichtorhallen, Haus der Photographie