So frei wie möglich

PREMIERE Das Bremer Ensemble Klank präsentiert „Und befreien sie von was“, einen Film über Klank und spielt live mit dem Martfelder Projektchor die Filmmusik dazu

■ Das Festival für neue und experimentelle Musik, ausgerichtet von Klangpol, präsentiert von Freitag bis Sonntag zeitgenössische Musik in archaischem Ambiente.

■ Am Freitag spielen im Heuerhaus in Dötlingen ab 19 Uhr Studierende der Oldenburger Carl-von Ossietzky-Universität mit dem Dozenten Axel Fries Musik zwischen Avantgarde und Techno. Ebenfalls am Freitag treten Klank mit dem Projektchor Martfeld im ehemaligen Landgasthof „Dunekack“ in Martfeld auf, Beginn: 20 Uhr.

■ Am Samstag findet im Vereinshaus Zetel-Neuenburg „Unerhörte Orte. Ein experimentelles Film-Konzert“ statt. Beginn ist um 17 Uhr.

■ Ab 19 Uhr findet am Samstag in der Aula der FH in Ottersberg „C Copy A, verschlüsselt!“ statt, eine „Klick-Performance“ mit dem Bremer Theater der Versammlung, bei der das Publikum die Akteure steuert.

■ Am Sonntag endet das Festival mit einem Abschlusskonzert im Probegebäude des Oldenburger Staatstheaters zum Tag der Architektur, Beginn: 17 Uhr. Weitere Informationen im Internet: www.klangpol.de.

VON ANDREAS SCHNELL

Klank – das klingt nicht zufällig nach „Clang Bang Clang“, oder nach Chung. Aber – natürlich – auch nach Klang. Klank ist ein Ensemble, das neu fragt, was Musik ist. Keine so leichte Frage, besser: keine so leicht zu beantwortende. Auch deshalb, so scheint es jedenfalls, befragen Klank nicht nur sich selbst auf diese Weise, sondern auch Kinder, Erwachsene, Künstler, Wände und Papierkügelchen sowie etliches mehr. Da ist es für die Erkenntnisgewinnung beinahe egal, ob der Raum ein nach fast allen Seiten offenes Zelt ist oder der Bauch eines Schiffs.

Die Frage, sie darf vielleicht auch für immer offen bleiben. Dafür lassen sich am Wegesrand allerlei andere Dinge herausfinden. Wie zum Beispiel neugierige Menschen mit Dingen unerhörten Klang erzeugen, die mit zeitgenössischer Musik zuvor nie zu tun hatten. Oder auch, wie sich ein Chor in den Sumpf schicken lässt, um später mit Sektkorken im Mund gut hegelianisch über Freiheit zu diskutieren.

Jetzt hat der Bremer Filmemacher Jan von Hasselt einen Film über Klank gedreht, der morgen im Rahmen des Festivals „Landklang“ in einem ehemaligen Landgasthof in Martfeld (zwischen Verden und Bruchhausen-Vilsen) zu sehen ist. „Und befreien sie von was“ ist der Titel des Films, und er ist typisch Klank, elliptisch, aber darin höchst präzise, einen Frageraum aufreißend. Klank, in diesem Fall Tim Schomacker, Christoph Ogiermann und Reinhart Hammerschmidt, sind darin zu sehen, wie sie mit dem Projektchor Martfeld – tja, eigentlich was tun?

„Und befreien sie von was“ ist jedenfalls kein Dokumentarfilm, aber es ist auch kein Musikfilm, Konzertfilm, Spielfilm. Er spielt dazwischen. Und das spielen ist wörtlich zu verstehen. Er erzählt über Klank’sche Methoden, aber eher im- als explizit. Über die Arbeit mit Material: Text und Joghurtbecher, über den kreiselnden Herangang an ein Thema: Freiheit in diesem Fall. Sumpflandschaften (Moorsoldaten?), gefesselte Kreaturen im Laderaum eines Transporters (Klank?), über Befreiung der Gestalten, die Vagheit der Datierung („... Auf jeden Fall nach dem Wiener Kongress“), steile Thesen („Persönlichkeit ist Despotismus“). Ein irisierendes Konzept: Da entern ein paar Figuren in grünen Ganzkörperanzügen einen dunklen Raum. Vielleicht sind die Anzüge aber auch nicht grün, sondern nur das Licht, das auf sie fällt. Sie machen sich über Küchengerät her – vielleicht ist das aber auch kein Küchengerät, sondern ein Instrumentarium zur Erzeugung einer perkussiven Musik. Orff? Oder eher Orff-orrf-orrrrrf – oder Clang Bang Clang? Vielleicht sind das aber auch nicht Reste eines späten Abendessens, sondern? Vielleicht ist es auch keine Musik, sondern der Angriff auf das Eigenheim als Symbol.

„Überall dunkelhäutige Kinder mit verhängnisvollen Hungeraugen“, alle zwei Sekunden stirbt eins davon. „Jetzt – und jetzt – und jetzt. 40.000 auch heute wieder. Ich habe es so satt.“ Jan van Hasselt und sein Kameramann Michael Dreyer sind laut Credits nicht nur für Kamera, Regie und Schnitt verantwortlich, sondern auch für: Wortspiele. „So frei nach Dostojewskis Dämonen wie es nur ging“ sei der Besuch beim Martfelder Projektchor, lassen Klank verlauten. Der besagte Roman konfrontiert konkurrierende Ideologien im vorrevolutionären Russland Ende des 19. Jahrhunderts. Auch dies nur ein Denkanstoß im Katastrophenszenario, das der Film laut Klank sein könnte. „Ich räume auf mit jeder Vorstellung geistigen Eigentums“, heißt es in „Und befreien sie von was“. Eine hochaktuelle Debatte, die Dostojewski in seinen finstersten Träumen vielleicht nicht eingefallen wäre. Aber Freiheit – was ist das denn eigentlich? Dem Diktat des Musikinstruments zu entsagen – ganz sicher. Aber das bedeutet schließlich auch die Freiheit von etwas Bestimmtem. „Und befreien sie von was“, der am Freitag in Martfeld Premiere feiert, ist aber nicht fertig. Die Musik zum Film existiert getrennt von ihm und bildet die zweite, zeitgleich stattfindende Premiere. Die Synchronisierung bildet ein Drittes. Auch das, so darf man ahnen, ist nicht die ganze Wahrheit. An der, das ließe sich herauslesen aus der konzeptionellen Gemengelage, haben nicht nur Klank und der Projektchor Martfeld zu arbeiten, sondern auch wir.

■ Freitag, 20 Uhr, im ehemaligen Landgasthof „Dunekack“, Kirchstr. 10, Martfeld