Kurzkritik: Jens Fischer über „Norma“
: Waidwund und ekstatisch

Primadonnen-Oper, Fest der Stimmen, ekstatisch fließende Melodienpracht – und eine tragische Mär aus dem Land von Miraculix und Troubadix: Druidenpriesterin Norma wütet verzweifelt, da der verheimlichte Vater ihrer Kinder, ein römischer Besatzungssoldat, mit einer Jüngeren durchbrennen will.

Dass Bellinis Pathoswerk nicht nur zu konzertanten Aufführungen taugt, beweist Philipp Himmelmann mit kühl stilisierter Todesszenerie: Eine weiße Showtreppe des öffentlichen Lebens kreiselt im schwarzen, bedrohend leeren Raum. Darin schleichen außerirdisch kostümierte Gallier herum, als suchten sie eine „Star Wars“-Szene, in der sie mitspielen können. Die Römer tragen feines Faschoschwarz, die Priesterkaste rüschiges Edelschwarz. Noch schwärzer wird’s durch aparte Schattenspiele. Unter den Treppenstufen ist Norma als Alleinerziehende in einer Hartz IV-kompatiblen Wohnküche zu sehen, waidwund, zwischen Pflicht und Neigung zerrissen. Glutvoll und mit Grandezza sopraniert sie ihr Lebenslügen-Leid. Und Himmelmann zeigt, was Eltern ihren Kindern in Trennungssituationen antun: Sie klammern sich an den Vater, der gehen will, sie werden von der Mutter benutzt, um den Ex zu quälen. Norma will ihm die Söhne entziehen, in diesem Fall: medeagleich töten. Eine psychologisch präzise, szenisch klare, mitreißende Inszenierung. Kaum etwas braucht das angeschlagene Theater Bremen derzeit mehr als diesen umjubelten Regie-Erfolg.

„Norma“, inszeniert von Philipp Himmelmann. Theater am Goetheplatz, bis 25.  10. 2009