berliner szenen
: Eine brauchbare Philosophie

Kürzlich gab mein lieber Golf nach 20 Jahren den Geist auf. Vor Kummer erwarb ich überstürzt und überteuert einen zehn Jahre alten Polo. Der erste Ausflug mit einem Freund ins Umland war herrlich. Blauer Himmel, Raureif. Das Auto schnurrte.

Es war stockdunkel, als wir auf der A111 wieder nach Berlin einfuhren. Kurz darauf wurde der Motor lauter. Im ersten Tunnel leuchtete ein gelbes Signal im Armaturenbrett auf. Der Motor begann zu tuckern. Im zweiten Tunnel klang er wie ein Traktor und wurde langsamer. Ein rotes Signal mit den Umrissen eines Motors erglühte. Obwohl jenseits der Grenze zur Hysterie, stellte ich geistesgegenwärtig die Warnblinker an, lenkte den Wagen am Tunnelausgang auf den Seitenstreifen, der etwas breiter war als ein Bügelbrett.

Es war finster, aus dem Tunnel kamen uns Autos entgegengeschossen wie wilde Tiere, rasten dicht an uns vorbei, als wir zurückliefen, um das Warndreieck aufzustellen. Dabei stolperten wir über einen toten Waschbär und dachten an Lady Di und Dodi.

Zum Glück kam der alarmierte ADAC sofort, und der Beiname Gelber Engel erschloss sich uns in einer Art Epiphanie. Der Engel fand schnell den Defekt, den er sogar notdürftig reparieren konnte. Währenddessen fragte ich ihn, wie er den Motor denn sonst so fände.

„Dit?! Dit is doch keen Motor. Dit is ja hooohl!“ Überrascht fragte ich, wieso. „Der hat ja nur drei Zylinda.“ Ach, das hatte ich nicht gewusst. Und was bedeutete das? „Wenn eener ausfällt – dit ham Se ja nu jesehn.“ Ich fragte ihn, was er denn für ein Auto fahre. „Einen Audi 1.“ – „Aha, der ist wohl schneller?“ – „Na ja, schon. Ick muss ja nich immer der Schnellste sein, aber der Letzte will ick ooch nich sein.“

Eine brauchbare Philosophie. Nicht nur für die Autobahn. Alma Barkey