WASG wie im Rausch

AUS KASSEL KLAUS JANSEN

Oskar Lafontaine ist angekommen. Der ehemalige SPD-Vorsitzende ist akzeptiert als Galionsfigur der Wahlalternative Arbeit & soziale Gerechtigkeit (WASG). Anders als bei seinen ersten Auftritten vor seiner neuen Partei wurde Lafontaine gestern auf einem Sonderparteitag der Wahlalternative schon beim Einmarsch in die enge Kasseler Uni-Mensa mit Applaus begrüßt. Vorbei die Zeiten, als er von einem Großteil der WASG-Mitglieder ausgebuht wurde.

Die Begründung für seinen freundlichen Empfang lieferte Lafontaine in seiner Rede auf dem Sonderparteitag der WASG selbst: „Die neue Linkspartei hat bereits Erfolg. Würde jetzt gewählt, wären wir drittstärkste Kraft im Bundestag. Nur wir selbst können uns jetzt noch ein Bein stellen“, sagte er. 11 Prozent der Stimmen stellen Meinungsforschungsinstitute dem Linksbündnis für die Bundestagswahl in Aussicht (s. Grafik). Zudem verzeichnet die WASG 2.000 neue Mitglieder, seit Gerhard Schröder Neuwahlen angekündigt hat. Und sogar die verhasste SPD widmet der neuen Formation ein eigenes Kapitel in ihrem Wahlmanifest.

Nichts ist erfolgreicher als Erfolg. Das merkte in Kassel vor allem das immer kleiner werdende Häufchen der WASGler, die sich gegen ein Bündnis mit der PDS ausgesprochen haben. Eine überwältigende Mehrheit der Delegierten stimmt am späten Nachmittag per Handzeichen für einen gemeinsamen Wahlantritt und eine spätere Fusion mit der PDS. Vor dieser soll es allerdings einen weiteren Parteitag geben. Heute beginnt außerdem die Urabstimmung darüber an der WASG-Basis. Oskar Lafontaine gab in seiner Rede die Richtung für die kommenden zwei Monate vor: Als „Vertretung derer, die keine Vertretung haben“, will die WASG in den Bundestag. Gegen die „unanständige, amoralische und asoziale“ Politik der neoliberalen Parteien kämpfen, „die der Oma die Rente kürzen“, die „uralte Ladenhüter des Bundes der Industrie verkaufen“ und „die Bevölkerung betrügen“.

Welche Politik die WASG dem entgegensetzen will, hat die Partei in einem siebenseitigen Wahlmanifest festgelegt. Zentrale Punkte: die Einführung von Mindestlöhnen und Ausbildungsplatzabgabe, ein Nein zu völkerrechtswidrigen Angriffskriegen, eine „deutliche Erhöhung“ des Spitzensteuersatzes, dazu eine neue Vermögens- und eine höhere Erbschaftssteuer. Konkrete Zahlen nennt die WASG allerdings nicht – wohl auch, weil das Programm noch mit der PDS abgestimmt werden muss. „Man kann die programmatischen Aussagen beider Parteien nicht einfach durch ein Textprogramm jagen und zusammenkopieren. Wir müssen erst einmal unsere eigene Identität schärfen“, räumte WASG-Bundesvorstand Thomas Händel ein. Sein Vorstandskollege Klaus Ernst rief die PDS-Spitze noch einmal auf, in den westdeutschen Bundesländern auf ihr Parteikürzel zu verzichten.

Zumindest innerparteilich hat sich die Aufregung über Oskar Lafontaines „Fremdarbeiter“-Äußerung gelegt. „Die Diskussion darüber ist an Heuchelei nicht zu überbieten“, verteidigte Lafontaine seine Rede in Chemnitz. Er habe lediglich „Hemmungen gehabt, Menschen als ‚Gastarbeiter‘ zu bezeichnen, die in Containern leben und zu Hungerlöhnen arbeiten müssten“, sagte er. Zudem müsse ihm die Öffentlichkeit erst beweisen, dass „Fremdarbeiter“ ein Wort aus dem Nazi-Jargon sei. WASG-Vorstand Ernst nahm Lafontaine ebenfalls in Schutz: „Die Kampagne ist eine Dreistigkeit. Es waren Sozialdemokraten und Kommunisten, die unter Hitler zuerst in den Konzentrationslagern gelandet sind“, sagte er.

Ernst versprach allerdings für die Zukunft eine vorsichtigere Wortwahl. Zudem entschuldigte er sich bei FDP-Chef Guido Westerwelle, weil in einem WASG-Wahlkampfsong dessen Homosexualität abfällig aufgegriffen worden war. Das Lied sei von der Internetseite gelöscht worden, versicherte Ernst. Einen Autor für einen neuen Song hat Ernst bereits gewonnen: In einem auf dem Parteitag verlesenen Appell kündigte der populäre Liedermacher Konstantin Wecker gemeinsam mit anderen WASG-Sympathisanten an, den Wahlkampf des Linksbündnisses „aktiv zu unterstützen“.