Unwürdiges Theater

Die Jury verweigert den Hauptpreis beim 24. NRW Theatertreffen zu vergeben und fordert dessen Reform

„Die Begründung der Jury ist Schwachsinn“

Irritation beim 24. NRW Theatertreffen. Die Jury zeichnete überraschend keine der Inszenierungen aus. Die Auswahl in diesem Jahr sei besonders unglücklich gewesen, sagte Jurymitglied Dietmar N. Schmidt, der ehemalige Leiter des Wuppertaler NRW Kulturbüros. Keine der Aufführungen aus Düsseldorf, Oberhausen, Köln, Mülheim, Moers, Bonn und Wuppertal habe die Jury so überzeugt, dass sie ihr den Hauptpreis geben könne. In Zukunft solle ein aus Kritikern bestehendes Gremium die Auswahl bestimmen. Bisher haben die ausrichtenden Intendanten die Stücke selbst ausgesucht. „Das ist kein gerechter und ehrlicher Wettbewerb“, sagt der Kulturmanager.

„Die Preisverleihung wurde von Dietmar N. Schmidt aus Sicht des Theaters missbraucht“, entgegnet Albrecht Döderlein, Geschäftsführender Direktor des Theater Dortmund. Es schade dem Theater insgesamt, wenn die Leistung der Gastensembles zu einer politischen Erklärung genutzt würde. Denn eine solche Debatte müsse an anderer Stelle geführt werden.

Michael Gruner, Schauspieldirektor und künstlerischer Leiter des diesjährigen Festivals will die Entscheidung einer autonomen Jury nicht kommentieren. „An kulturpolitischen Auseinandersetzungen, die auf dem Rücken der Kunstschaffenden ausgetragen werden, beteilige ich mich nicht“, sagt Gruner.

„Die Entscheidung der Jury ist anmaßend und inkompetent zugleich“, sagt Roberto Ciulli vom Mülheimer Theater an der Ruhr. Sein Theater war mit Büchners „Dantons Tod“ beim Theatertreffen beteiligt. Schmidt nähme es in Kauf, die Kulturpolitik des Landes leichtfertig zu schädigen, so Ciulli. Bei Mitjurorin Elisabeth Schweeger, Intendantin des schauspielfrankfurt, zeuge die Entscheidung von einer grandiosen Unkenntnis. „Schwachsinn“ ist laut Ciulli die Begründung, dass die Auswahl der acht Inszenierungen nicht repräsentativ sei. Ihren Hintergrund habe dies in der üblichen Gemengelage politischer Klüngelei in Nordrhein-Westfalen.

Preise wurden in Dortmund dennoch verteilt. Den Publikumspreis erhielt die Inszenierung „Nacht“, eine Koproduktion vom Schauspielhaus Düsseldorf mit dem Stary Teatr Krakau. Die Jury sprach sich dafür aus, das Geld für den Hauptpreis nun an zwei Schauspieler und zwei Nachwuchsschauspieler zu vergeben. So hätten Yorck Dippe als Doktor Wangel in Henrik Ibsens „Die Frau vom Meer“ vom Theater Bonn und Ingeborg Wolff als Mutter Pius in Else Lasker-Schülers „Die Wupper“ von den Wuppertaler Bühnen überzeugt. Als vielversprechende Nachwuchsmimen wurden Markus Scheumann als Oswald Alving und Vanessa Stern als Regine Engstrand, beide in Ibsens „Gespenster“ vom Schauspiel Köln ausgewählt.

Da bisher stets das jeweils siegreiche Theater das folgende Festival ausrichtete, ist nun noch offen wo das 25. Theatertreffen ausgerichtet wird. Entscheiden soll das die NRW-Intendantenkonferenz.

Die Jury forderte auch eine Reform des Festivals durch die NRW Staatskanzlei. Der neue Staatssekretär Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff (CDU) solle dem Theatertreffen zu der Bedeutung verhelfen, wie sie andere nationale Festivals auch hätten, so Jurysprecher Schmidt. Er setze auf die Vernunft in der Staatskanzlei.

Doch der neue Chef von 400 Mitarbeitern in der Staatskanzlei hat wohl andere Sorgen. Nur ein Drittel seiner Arbeit werde er für die Kultur aufwenden, sagte Grosse-Brockhoff zum Amtsantritt. Und so war er gestern nicht zu erreichen, zum Eklat um das Theatertreffen wollte er sich nicht äußern. Seine Prioritäten im neuen Amt hatte der ehemalige Kulturdezernent der Landeshauptstadt erst kürzlich so beschrieben: „Das Thema Landeshauptstadt ist dem Ministerpräsidenten und mir sehr wichtig. Ich will mich als erstes vor allem um die Erweiterung des Museumsgebäudes K 20 kümmern, möglichst parallel mit dem Bau des lang versprochenen Bürgersaals“, sagte Grosse-Brockhoff.

PETER ORTMANN