Quo vadis, Bremen?

Ohne stärkeren Beitrag der Bremer Bürger ist der Stadtstaat nicht zu retten. Ein Beitrag zur Frage „Hinterm Horizont geht‘s weiter– aber wohin?“

bremen taz ■ Es geht um eine Bilanz: Wo stehen wir nach mehr als 10 Jahren „Sanierungsprogramm“ in Bremen? Was sind die Perspektiven, wohin kann und soll die Reise gehen? Ich kann mich noch an die Aufbruchstimmung erinnern, nachdem Bremen mit Hilfe des Bundesverfassungsgerichts milliardenschwere Finanzhilfen des Bundes erstritten hatte und das Sanierungsprogramm aus der Taufe gehoben wurde. Wir hatten das Gefühl einer historischen Chance, den wirtschaftlichen und finanziellen Aderlass Bremens und Bremerhavens zu stoppen und eine Wende zum besseren einzuleiten.

Das von der „Ampel“ beschlossene Investitionsprogramm war ein Kompromiss zwischen strukturkonservativen und innovativen Elementen. Ein gemeinsames Leitbild von Bremens Zukunft gab es schon damals nicht – dazu waren die Gegensätze in der Koalition zu groß, vor allem in der Stadtentwicklungspolitik, wo eine forcierte Flächenerschließung auf der „grünen Wiese“ gegen das Primat für Innenentwicklung und Flächenrecycling stand.

Die Alternative, einen Teil der Sanierungshilfen direkt für den Schuldenabbau zu verwenden, um damit die Zins- und Tilgungslasten zu reduzieren, wurde schließlich verworfen. Aus heutiger Sicht war das ein strategischer Fehler. Seither flossen 8,5 Milliarden Euro Sanierungshilfen nach Bremen und Bremerhaven. Finanziert wurde damit ein beispielloses Investitionsprogramm. Es handelte sich quasi um eine keynesianische Wette auf kleinstem Raum: je mehr öffentliche Investitionen, desto mehr Wachstum. Als spätestens nach dem ersten Fünfjahresplan absehbar wurde, dass die Wette nicht aufging, haben SPD und Union nicht etwa den Kurs korrigiert, sondern den Einsatz noch erhöht.

Es gab Investitionsmittel wie in keiner anderen deutschen Stadt – aber es gab kein Leitbild von der Zukunft der Stadt und damit auch keine klaren Kriterien für die Investitionspolitik. Statt nüchterner Kosten-Nutzen- Rechnung herrschte Wunschdenken. Die Sanierungspolitik wurde wider besseres Wissen als Erfolg verkauft, bis in diesem Frühjahr ihr Scheitern auch durch noch so bodenloses Schönreden nicht mehr zu vertuschen war.

Es ist richtig, dass Bremen sich angesichts der finanzpolitischen Rahmenbedingungen nicht allein aus eigener Kraft sanieren kann. Aber ohne eigene Kraftanstrengung über die nächsten 10, 20 Jahre wird es auch keine Hilfe von außen geben.

Nötig sind zum einen klare Prioritäten bei den öffentlichen Ausgaben für Bildung, Wissenschaft, Innovation, für eine Stärkung der kreativen Kräfte Bremens. Zum anderen führt kein Weg an einer kritischen Überprüfung von Staatsaufgaben und -ausgaben vorbei. Der jetzige Umfang des öffentlichen Diensts und der öffentlichen Leistungen ist auf Dauer nicht zu halten. Ohne einen stärkeren Beitrag der Bremer Bürger wird der Stadtstaat nicht zu retten sein. Bremen muss seine alte Tradition bürgerlichen Engagements, der Teilnahme der Bürgerschaft an den öffentlichen Angelegenheiten, neu beleben.

Die Bewerbungskampagne für die Kulturhauptstadt Europas war ein Lichtblick, der aufscheinen ließ, welche Potenziale im Zusammenspiel von Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft liegen. Bremen braucht Ziele, die eine gemeinsame Kraftanstrengung lohnen. Dazu gehört auch die Verständigung über Leitbilder für Bremens Zukunft, die Identifikation stiften und Orientierung bieten. Zu wissen, was Bremen sein will, ist die wichtigste Voraussetzung für die Überwindung der Misere.