wortwechsel: Wieder keine Frau im höchsten Staatsamt
Steinmeier bleibt Bundespräsident, aber wäre eine Frau nicht visionärer? Umweltgerechte Logistik ist besser als nachhaltige Hochhausbauten oder ist Kritik daran nur provinziell?
Trumpisierung
„Soll Steinmeier Präsident bleiben?“,
taz vom 4. 1. 22
Ausgangspunkt des taz-Redakteurs Stefan Reinecke ist, dass ein Präsident Steinmeier „in Krisenzeiten nicht das Schlechteste ist“. Gerade Steinmeier, als einer der Hauptakteure der Agenda 2010, hat uns doch in diese gesellschaftliche Krise geführt. Seine Politik in der Regierung Schröder/Fischer fällt uns heute richtig auf die Füße: Niedriglöhne, Mietendesaster, Privatisierung der Krankenhäuser et cetera. Steinmeier hat die Grundlagen für den politischen Aufstieg einer durch den CDU-Konservatismus verblendeten Angela Merkel erst möglich gemacht. Noch schlimmer ist: Prekarisierung immer größerer Bevölkerungsgruppen unserer Demokratie führen zu einer gravierenden Zunahme rechtsextremer Kräfte. Steinmeier verhindert eben nicht, wie Reinecke argumentiert, die „Trumpisierung“ der Demokratien, er befördert sie.
Dieter Schönrock, Hamburg
Wieder keine Frau
„Soll Steinmeier Präsident bleiben?“,
taz vom 4. 1. 22
Wie seit der Wahl von Bärbel Bas zur Präsidentin des Deutschen Bundestags zu befürchten, konnte nun der taktisch versierte Frank-Walter Steinmeier sich den Posten des Bundespräsidenten ein zweites Mal sichern und somit die Wahl einer Frau zur Bundespräsidentin verhindern. Die SPD-Frauen, allen voran Bärbel Bas, hätten dieses Spiel nicht mitmachen und sich mit dem Bundestagspräsidium abspeisen lassen dürfen, sondern auf der schon lange überfälligen Wahl einer Frau zur Bundespräsidentin bestehen müssen.
Werner Miehle-Fregin, Ditzingen
Alles gut in Bellevue
„Doch keine Frau“, taz vom 4. 1. 22
Was macht eigentlich so ein Bundespräsident beruflich? Nun, er ist das Staatsoberhaupt der Bundesrepublik Deutschland, sein Tätigkeitsfeld wird im Grundgesetz in den Artikeln 54–61 beschrieben. Ja, das Grundgesetz ist immer noch in Kraft, und lesen soll bekanntlich auch vor Dummheit schützen. Nachdem es für diesen Posten nur einen Bewerber gibt, fällt logischerweise das Bewerbungsgespräch flach. Alle in der Bundesversammlung, das sind die Menschen, die ihn wählen sollen, machen jetzt schon auf Friede, Freude, Eierkuchen, und schon ist klar, dass alles klar ist. Auf in die nächsten fünf Jahre, Herr Steinmeier, und grundsätzlich kann dabei nicht allzu viel voll in die Hose gehen im Schloss Bellevue in Berlin.
Klaus P. Jaworek, Büchenbach
Aufbruch eher mit Frau
„Steinmeier, Staffel 2: Wer will diese Serie noch sehen?“, taz vom 5. 1. 22
Ich stimme unserem Herrn Bundespräsidenten hinsichtlich seiner grundsätzlichen Aussagen über Demokratie durchweg zu. Gleichwohl ist festzustellen, dass (auch) Frank-Walter Steinmeier doch recht oft in der Rhetorik von Sonntagsreden zu verharren sucht. Er schreibt den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes regelmäßig nichts in das Stammbuch, was nicht bereits vorher recht klar und deutlich dringestanden hat; was mithin als „risikolose“ Repetition der Mehrheitsmeinung betrachtet werden könnte. Von einer intellektuellen Ansprache oder einer Ruckrede dürfte das deutsche Volk also bei einer erfolgreichen Wiederwahl unseres derzeitigen Staatsoberhauptes weiterhin „verschont“ bleiben. Leider! Eine Frau im höchsten Amt der Nation könnte nicht zuletzt insoweit eine besondere Aufbruchstimmung, der es unbestritten bedarf, vermitteln. Matthias Bartsch, Lichtenau
Umweltgerechte Logistik
„München kratzt an den Wolken“,
taz vom 4. 1. 2022
Der Abriss der Paketposthalle ist ein schwerer Schlag für eine umweltgerechte Logistik. Diese Halle hat Schienenanschluss und ist auf Logistik für den Paketversand auf Schiene ausgerichtet. In zentraler Lage für den Vorlauf und Nachlauf (mit E-Fahrzeugen). Für eine umweltbewusste und nachhaltige Logistik wird dies mehr gebraucht als nachhaltige Hochhausbauten. Die Post hat gerade verkündet, dass sie ihre Briefnachtflüge nach München einstellen will. Und dabei gerne die Laufzeit der Post verlängert. Mit der Schiene gibt es dafür keinen Grund.
Roland Schüler, Köln
Modern?
„München kratzt an den Wolken“,
taz vom 3. 1. 22
Es ist immer dasselbe Totschlagargument – man erklärt, die Leute hätten was gegen „die Moderne“, wären also provinziell, wenn sie zum Beispiel etwas gegen den Bau von Hochhäusern hätten. Als ob „die Moderne“ an sich schon einen positiven Wert darstellen würde. Stimmig ist das nicht, denn Hochhäuser sind erstens auch schon altbacken, so lange, wie sie bereits gebaut werden, und außerdem sind sie oft hässlich, klotzig, wirken abweisend und passen nicht zur Umgebung. Es gibt also sehr gute Gründe, sich dagegen auszusprechen. Manuela Kunkel, Stuttgart
Geldwäsche?
„München kratzt an den Wolken“,
taz vom 3. 1. 21
Der in dem Artikel erwähnte Entwurf einer Hochhausstudie für München enthält – vermutlich unabsichtlich – einige Wahrheiten: „Hochhäuser sind für die Sicherung von Wohn- und Büroraum immer nachrangig“ und „Hochhäuser sind in der Realisierung und im Unterhalt in der Regel aufwändiger und teurer als vergleichbare Projekte unter der Hochhausgrenze“. Warum dann Hochhäuser? Sie sind ein „städtebauliches und gestalterisches Mittel“ – ach, und wer will das?
Ergänzt werden müsste: Hochhäuser in einer Metropole sind vor allem ein erstklassiges Anlageobjekt. Wer dort eine Wohnung kauft, macht keine preisgünstige Wohnung frei, will dort meist auch nicht wohnen, sondern spekuliert auf eine Wertsteigerung. Die „Lenbachhöfe“ Nähe Hauptbahnhof sind dafür ein Beispiel. Bemerkenswert auch dort: Das Gelände war mal wie das an der Paketposthalle öffentliches Eigentum. Jetzt ist es für Geldwäscher aus aller Welt sehr interessant.
Gerd Baumann, München
Betongold
„München kratzt an den Wolken“,
taz vom 3. 1. 22
Die Münchner sollten sich lieber mal fragen, für wen diese Wohnungen gebaut und bezahlbar sein werden. Ich bin mehr für eine Innenverdichtung als für das Zupflastern des noch grünen Umlandes.Zumal alte Industrieanlagen sich wunderbar eignen. Aber der Wohnungsbau ist derart teuer geworden, dass die Investoren von Käufern fordern können, was sie wollen. Und das zieht unweigerlich Menschen an, die Geld wie Heu haben und einfach so zum Spaß in Betongold investieren.Folge ist, dass Ottonormal aus der Stadt gedrängt wird wegen unbezahlbarem Wohnraum und diese neuen Prestigeobjekte leer stehen, weil der Käufer gerade woanders rumjettet. So entstehen tote und trostlose neue Viertel. Darin sehe ich eine viel größere Problematik.Und deshalb die altbekannte Frage an die Münchner: Wem gehört die Stadt?
Heike Häusler, Bergisch Gladbach
Mit dem Virus leben
„Tor auf für Omikron“, taz vom 3. 1. 22
Eine Verkürzung der Quarantäne für symptomfreie Menschen (und nur von diesen ist hier die Rede) scheint entgegen der Ansicht der Autorin angeraten. Nach zwei Jahren Pandemie müssen wir langsam dazu übergehen, mit dem Virus zu leben. Raus aus dem Ausnahmezustand, raus aus der Angsthaltung. Auch sprechen die aktuellen Erkenntnisse dafür, dass Omikron zwar ansteckender, aber milder im Verlauf ist. Die Schließung der Impflücken sollte daneben höchste Priorität haben (hier stimme ich der Autorin durchaus zu). Aber bitte auch eine breite und vernünftige Erfassung der Nebenwirkungen.Hier scheint es noch Luft nach oben zu geben. Sabrina Neugebauer, Hamburg
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