Neues Forum für interkulturelle Bildung

LERNEN „Das offene Haus für Religionen“ entsteht in dem ehemaligen jüdischen Krankenhaus in Mitte

„Es geht darum, junge Menschen zu begeistern und ihr Engagement zu prägen“

AVITALL GERSTETTER

Das seit mehreren Jahren laufende Akademie-Projekt „Ahawa – das offene Haus für Religionen“ macht Fortschritte. Auf einem Areal von 8.500 Quadratmetern des seit Jahren leer stehenden Komplexes Auguststraße 11–16 in Mitte sollen Studierende aller Religionen und Kulturen eines Tages auf einem neuen Campus von- und miteinander lernen. Am gestrigen Dienstagabend wurde die Initiative Ahawa in den Räumen der Jüdischen Gemeinde zu Berlin offiziell gestartet. Avitall Gerstetter, die Kantorin der Gemeinde, verfolgt das Projekt schon seit Jahren. Nach fast 20-jährigen juristischen Kämpfen mit der Jewish Claim Conference gehört der Gemeinde seit Mitte Juli das denkmalgeschützte Areal nun endgültig.

Ein entscheidender Schritt für die Initiative Ahawa wurde Anfang September getan: Nach einer Besichtigung des Areals durch den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) stehen der Jüdischen Gemeinde zur Dachsanierung der zum Teil baufälligen Gebäude nun 430.000 Euro zur Verfügung. Insgesamt wird der Sanierungsbedarf für das gesamte Gelände auf 20 Millionen Euro geschätzt.

Die drei Einzelgebäude des Komplexes beherbergten vor dem Zweiten Weltkrieg ein jüdisches Krankenhaus und ein jüdisches Kinderheim. Dessen Name war Ahawa – Hebräisch für Liebe. Das Hauptgebäude wurde zwischen 1858 und 1860 im klassizistischen Stil gebaut. Im Jahr 1930 wurde es durch einen Neubau mit einer Fassade im Stil der Neuen Sachlichkeit ergänzt. Das Kinderheim wurde nach dem Machtantritt der Nazis komplett nach Palästina verlegt – 300 Kinder konnten so vor dem Holocaust gerettet werden. Das Areal diente wenig später der Gestapo als Sammelstelle für Deportationen in die Konzentrationslager.

Weltweit einzigartig

Nach den Vorstellungen von Avitall Gerstetter wird auf dem Ahawa-Gelände ein „weltweit einzigartiges Forum für interkulturelle und interreligiöse Bildung“ entstehen. „Es geht darum, junge Menschen zu begeistern, ihre Einstellungen und ihr Engagement zu prägen“, sagte sie. Professoren von internationalem Renommee sollen die Studierenden während einer Studienzeit von drei bis sechs Monaten in den Fächern Religion, Philosophie, Journalismus, Kunst und Kultur unterrichten.

Die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Lala Süsskind, würdigte das Engagement von Avitall Gerstetter und ihrem Partner Samuel Urbanik. Mit Ahawa ziehe dank ihres Einsatzes wieder „Leben in dieses Haus“, sagte sie, „es kommt etwas Liebe zurück.“

Die Porzellanmanufaktur Meissen unterstützt das Projekt durch Herausgabe exklusiver Judaika, also ritueller jüdischer Gegenstände wie eines Pessach-Tellers und einer Menora in einer limitierten Auflage von jeweils 777 Stück pro Jahr. Die Porzellane werden weltweit vertrieben. Die Agentur Zum Goldenen Hirschen will eine internationale Kommunikationskampagne für das Projekt umsetzen. Avitall Gerstetter sagte, dass das Projekt in den vergangenen Monaten durch die Wirtschaftskrise betroffen war, aber jetzt vorankomme. „Es ist ein steiniger Weg, aber jetzt rollt es.“ PHILIPP GESSLER