Wahlen krönen Burundis Friedensprozess

Die einstige Hutu-Rebellenbewegung CNDD gilt als Favoritin der gestrigen Parlamentswahlen. Sie wirbt auch Tutsi an

BERLIN taz ■ Freie Wahlen in Burundi sind ein historisches Ereignis. Die letzten, vor zwölf Jahren, führten das Land in einen Bürgerkrieg, der 300.000 der sechs Millionen Einwohner das Leben kostete. Noch hat sich Burundi davon nicht erholt, aber gerade unter Eindruck der vergangenen Massaker und Massenvertreibungen soll es diesmal besser laufen. Burundis gestrige Parlamentswahl gilt als Krönung eines dreijährigen Friedensprozesses. Sie soll eine Regierung produzieren, die durch detaillierte Vorgaben bei der Verteilung politischer Ämter zwischen Hutu und Tutsi sowie zwischen Mehrheits- und Minderheitsparteien daran gehindert wird, ein Machtmonopol zu etablieren und damit den nächsten Krieg zu begründen.

Als Wahlsieger steht die einstige Hutu-Rebellenbewegung CNDD (Nationalkomitee zur Verteidigung der Demokratie) so gut wie fest. Die Gruppe entstand 1993 nach der Ermordung des ersten freigewählten Hutu-Präsidenten Burundis durch Tutsi-Soldaten und war seitdem Hauptgegner der Generäle, die die wechselnden Regierungen in der Hauptstadt Bujumbura dominierten. Heute sind die Kämpfer der CNDD-Armee FDD (Front zur Verteidigung der Demokratie) in die Regierungsarmee eingegliedert; die Partei gewann die Kommunalwahlen vom 3. Juni mit 55 Prozent. Weil die Friedensverträge eine Ämterquotierung von 60:40 zwischen Hutu und Tutsi vorsehen, schließen sich ihr jetzt auch zahlreiche Tutsi an.

Die CNDD tritt somit das Erbe der historisch dominierenden Hutu-Partei Frodebu (Front für Demokratie in Burundi) an, deren Wahlsieg 1993 das Land in den Krieg geführt hatte. Die Frodebu war der wichtigste Gegenpart von Burundis Militärdiktator Pierre Buyoya bei den jahrelangen Friedensverhandlungen in Tansania, die 2001 zum Friedensabkommen von Arusha führten. Frodebu-Führer Domitien Ndayizeye übernahm im Mai 2003 das Präsidentenamt vom Tutsi Buyoya und hält es bis heute. Aber heute ist die Frodebu Verliererin der Demokratisierung – vielleicht auch mangels militärischer Einschüchterungsmittel auf dem Land.

Radikale Frodebu-Führer wie Parlamentspräsident Jean Minani erkannten bereits ihre Niederlage bei den Kommunalwahlen nicht an, und vor der Parlamentswahl erklärte Minani öffentlich, die Gewehre der Armee seien „nicht wirksamer als Pfeil und Bogen“ und die Leute sollten sich „bereithalten“ – eine unverhüllte Kriegsdrohung. Beobachter in Burundi sagen der Frodebu nach, dass sie jetzt die letzten noch aktiven Hutu-Rebellen des Landes aufpäppelt – die FNL (Nationale Befreiungsfront) – um per Gewalt die Wahl zu stören. Die CNDD wiederum präsentiert sich als Ordnungsmacht, gemeinsam mit dem Militär.

Wenn im August die beiden Kammern des burundischen Parlaments den nächsten Staatspräsidenten bestimmen, dürfte CNDD-Chef Pierre Nkurunziza daraus als Sieger hervorgehen. Gute Beziehungen zum mächtigen Nachbarn Ruanda und der dort herrschenden einstigen Tutsi-Bewegung RPF (Ruandische Patriotische Front) helfen der einstigen Hutu-Rebellion Burundis auf dem Weg an die Macht. Eine ihrer ersten Finanziererinnen, die in Schmuggel von Zigaretten, Waffen und Mineralien verwickelte ostkongolesische Geschäftsfrau Aziza Gulamali Kulsum, lebt heute in Ruanda und ist familiär mit mächtigen Politikern des Kongo liiert.

Ein CNDD-Sieg in Burundi bedeutet also keinen Durchbruch für radikale Hutu im Afrika der Großen Seen. Vielmehr bedeutet er den Einschluss ihrer Führer in die etablierte Welt persönlich verquickter Geschäftsbeziehungen und Militärfreundschaften, die die Politik im Afrika der Großen Seen mehr prägen als jede vermeintlich ethnische Loyalität. DOMINIC JOHNSON