Der saure Apfel der Polizei

NACHBEREITUNG Innenausschuss befasst sich mit den Vorfällen beim Naziaufmarsch. Kritische Fragen zum Marschweg und zur Einkesselung

„Was auf dem Marschweg war, waren keine Versammlungen im Sinne des Gesetzes“

PETER BORN, POLIZEIFÜHRER

Der Marsch der Neonazis am 2. Juni in Wandsbek ist durch die Proteste vieler tausend Menschen gestoppt worden. Das räumte Polizeieinsatzleiter Peter Born am Donnerstagabend auf der Sondersitzung des Innenausschusses der Bürgerschaft ein. Ursprünglich wollte er den Zug auf der Alternativroute Hasselbrookstraße bis zur Ritterstraße marschieren lassen, doch dann seien dem Zug rund 2.000 Personen entgegengekommen, „die die Polizeisperre umgangen hatten“.

Er habe die Wegstrecke dann das zweite Mal geändert, sagte Born: „Ich musste in der Not in den sauren Apfel beißen und den Umzug durch kleine Straßen leiten.“ Doch im Peterskampweg war der Nazi-Aufzug zum Stehen gekommen. Warum er die Nazis nicht umkehren und 50 Meter zurück zum Bahnhof Hasselbrook gebracht habe, fragten Abgeordnete. „Man kann einen Umzug nicht einfach umdrehen“, erwiderte Born. „Der Zeitraum war mir zu riskant.“

Auf die Frage der Linkspartei-Abgeordneten Christiane Schneider, ob ihm bekannt gewesen sei, dass an der Kreuzung Marienthalerstraße/Peterskampweg vor der Routenänderung bereits eine spontane vom Versammlungsrecht geschützte Kundgebung stattgefunden habe, die jedoch wegen des Nazi-Marsches geräumt wurde, sagte Born: „Ich weiß nichts von einer Versammlung.“ Überhaupt sei für ihn „alles, was auf dem Marschweg war, keine Versammlungen im Sinne des Gesetzes“ gewesen.

Born räumte in der Ausschusssitzung ein, dass am Vormittag 1.000 Menschen ohne Richterbeschluss präventiv zur Gefahrenabwehr in der Wagnerstraße vier Stunden lang eingekesselt worden sind. Es sei geplant gewesen, einen Richter einzuschalten, „doch das hätte zu lange gedauert“, erklärte Born. Auslöser seien Ausschreitungen nach einer Kundgebung gewesen. Autonome wären nach „Schlachtordnung“ gegen Polizisten vorgegangen. Während eine erste Gruppe seinen Schilderungen zufolge Nebeltöpfe geworfen habe, habe die zweite die Beamten mit einer „Wolke von Flaschen“ eingedeckt, während eine dritte Gruppe versucht habe, die Polizeikette zur Nazi-Marschroute mit einem mit Isomatten präparierten Transparent zu durchbrechen. „Die Polizei konnte sie zurückschlagen“, sagte Born. Als die Teilnehmer Richtung Hamburger Straße ziehen wollten, seien alle in Gewahrsam genommen worden.

271 Personen sind laut Born abtranportiert worden, dann sei die Ingewahrsamnahme für den Rest aufgehoben worden. „Nach vier Stunden sind wir zur Auffassung gelangt, dass wir das nicht länger halten können“, sagte Polizeijustiziar Jens Stammer. KVA