Tag des Theaters im Liebknecht-Haus

Ein Journalistenauflauf, als werde schon wieder ein neuer Papst gewählt: Die PDS präsentiert in ihrer Parteizentrale Oskar Lafontaine als universalen Hoffnungsträger. In der Rolle des Special Guest der Linkspartei: „Tatort“-Kommissar Peter Sodann

„Ich werde meine Schauspielkunst fortsetzen, das ist ja auch Politik“

AUS BERLIN JENS KÖNIG

Ein Medienhype ist einfach und schnell zuzubereiten. Folgende Zutaten seien empfohlen: Man nehme einen Exvorsitzenden einer großen, bekannten Partei. Diesen Exvorsitzenden lasse man aus seiner Partei austreten und sich einem neuen, unbekannten Projekt zuwenden. Anschließend bestelle man diesen Vorsitzenden ohne konkreten Anlass in die Zentrale einer anderen Partei, die von der Partei des Exvorsitzenden jahrelang bekämpft worden ist. Man bitte den Vorsitzenden dieser bekämpften Partei zu einem gemeinsamen Auftritt mit dem Exvorsitzenden. Dann kündige man zusätzlich einen Überraschungsgast an. Einmal rühren, eine Minute ziehen lassen – und fertig ist der Hype.

Als Oskar Lafontaine am Montag zum ersten Mal in seiner langen politischen Karriere die PDS-Zentrale in Berlin betritt, herrscht Ausnahmezustand. Und das will etwas heißen bei einer Partei, die seit fünfzehn Jahren über einen Vorturner namens Gregor Gysi verfügt, der nun wahrlich ein Spezialist für politische und mediale Erregungszustände ist. Im Karl-Liebknecht-Haus gibt es einen Journalistenauflauf, als werde schon wieder ein neuer Papst gewählt, alle Fernsehsender haben Kamerateams geschickt, die Fotografen rennen sich gegenseitig über den Haufen. PDS-Sprecher Hendrik Thalheim versucht, über das hundertfache Klicken der Fotoapparate hinweg die Ordnung wiederherzustellen. „Ich bitte Sie jetzt ernsthaft zurückzutreten“, mahnt er in strengem Tonfall die Fotografen. „Zurücktreten? Jetzt schon?“, schallt es aus der Fotografenmeute zurück.

Der zurückgetretene SPD-Vorsitzende verzieht keine Miene.

Erst einmal tritt Lothar Bisky auf. Der PDS-Chef sagt, dass sich Deutschland in den letzten sechs Wochen verändert habe. „Noch nie hat eine Partei in Deutschland noch vor ihrer Entstehung so viel Hoffnung auf sich vereint.“ In der Mediengesellschaft sagt man oft „Hoffnung“, wenn man „Aufmerksamkeit“ meint. Dann spricht Bisky davon, dass Kultur „ein gesellschaftliches Lebensmittel für alle“ sei.

Klingt irgendwie unmotiviert, das Ganze. Entpuppt sich aber als elegante Überleitung. Die Journalisten werden gebeten, Platz zu machen. Das Meer teilt sich und Peter Sodann erscheint plötzlich im Saal. „Der erfolgreichste Theatermann Deutschlands“, wie Bisky ihn ankündigt. Lafontaine guckt unruhig. Er wartet.

Sodann ist ein aufrechter, integrer Mann. „Ein Linker“, wie er sagt. Sein Vorteil (oder Nachteil?): Er ist ein Fernsehgesicht. Der „Tatort“-Kommissar Ehrlicher. Der Name ist Sodanns Programm. „Freiheit ist, sich für alles verantwortlich zu fühlen“, sagt der Schauspieler. Damit begründet der 69-Jährige, warum er am Ende seiner langen Theaterkarriere für die Linkspartei in den Bundestag will. In Sachsen soll er sogar auf Platz 1 der Landesliste gewählt werden. Als er zu seinem politischen Programm gefragt wird, antwortet er: „Ich werde meine Schauspielkunst fortsetzen, das ist ja auch Politik.“ Sodann sagt immer, was er denkt.

Endlich darf Lafontaine. „Ich freue mich, neben einem so bekannten Mann wie Peter Sodann zu stehen“, sagt er und kündigt an, dass sich die Linkspartei nicht nur um ökonomische und soziale, sondern auch um kulturelle Fragen kümmern werde. Dann sein übliches Statement, dass Deutschland eine andere Politik brauche und so.

Ein Journalist will von Bisky wissen, was er davon halte, dass Lafontaine seinen Angriff auf die „Fremdarbeiter“ nicht zurücknimmt, obwohl er, Bisky, doch gemeint habe, die Äußerung sei nur ein Lapsus gewesen. „Dazu will ich etwas sagen“, poltert Lafontaine. „Ich habe aber Bisky gefragt“, kontert der Journalist. „Aber Sie arbeiten mit falschen Unterstellungen“, ruft Lafontaine, „also sage ich etwas dazu.“ Und er sagt, dass „Fremdarbeiter“ kein Nazi-Begriff sei. Die Nationalsozialisten seien in erster Linie rassistisch gewesen, nicht fremdenfeindlich. „Fremde sind im Deutschen Reich sehr wohl beschäftigt worden, wenn sie arischer Abstammung waren.“

Bisky wird erneut gefragt. Er selber verwende Lafontaines Begriff nicht, sagt er. Aber dem ehemaligen SPD-Vorsitzenden Fremdenfeindlichkeit zu unterstellen, sei „infam“. Lafontaine muss noch mal ran. Ob er auf den Begriff in Zukunft verzichte. „Seit drei Wochen kann mir niemand nachweisen, dass das ein Nazi-Begriff ist“, keilt er zurück, „das ist doch kein Zufall. Zeigen Sie mir irgendetwas, eine Goebbels-Rede oder so.“ Er habe die Frage nicht beantwortet, sagt die Journalistin kühl. „Ich werde in Zukunft darauf achten, dass keine Missverständnisse entstehen“, antwortet Lafontaine jetzt artig.

Die PDS ist zufrieden. Als der Hype vorüber ist, stürzen sich alle Journalisten auf – Peter Sodann. Lafontaine verlässt schnell das Karl-Liebknecht-Haus.