Der „Klimaalarm“ wird vorgezogen

EDINBURGH taz ■ Einen Vorteil hat aus Sicht der Protestierer der G-8-Gipfel ja: Jeder kommt mal zum Zuge. Gestern waren es Atomkraftgegner und FriedensaktivistInnen der Stop the War Coalition, die zu Hunderten den Marinestützpunkt für atombetriebene U-Boote in Faslane blockiert haben. Heute wollen Flüchtlingsinitiativen nach Dungavel ziehen, um gegen Schottlands größtes Abschiebegefängnis zu demonstrieren. Der große Auftritt der Umweltbewegung zum G 8 Climate Action-Day war eigentlich erst für Freitag vorgesehen, wenn die G-8-Staatschefs ein Kommuniqué zum Klimaschutz verabschieden wollen. Doch nun hat US-Präsident George Bush in einem Fernsehinterview zugegeben, dass es vielleicht doch einen Zusammenhang zwischen dem CO2-Ausstoß und dem Treibhauseffekt gebe. Seitdem steht auf den Protest-Camps das Thema Klimaschutz ganz oben.

„Es ist doch klar, worauf das Geständnis des US-Präsidenten abzielt“, sagt Lang Blanks von Friends of the Earth. „Bush will das Image des Klimakillers abstreifen.“ Das sei so, als würde man zugeben, der HIV-Virus hat was mit Aids zu tun, findet Daniel Mittler von Greenpeace International. Diese Äußerung zeige doch nur, wie sehr sich Bush beim Klimaschutz bereits von der allgemeinen Meinung entfernt habe. Keiner der beiden Umweltaktivisten setzt große Hoffnungen auf die Verhandlungen. „Viele blumige Worte, vielleicht ein paar wenige Initiativen im Bereich zu erneuerbaren Energien“, sagte Mittler, aber eine klare Vereinbarung zur Reduktion von Treibhausgasen hat Bush ja bereits ausgeschlossen. Mittler weiter: „Gastgeber Tony Blair hat einen strategischen Fehler begangen, Bush mit ins Boot zu holen. Zusammen mit den anderen sechs Staaten hätte er lieber auf Konfrontation setzen sollen.“ Dieser Druck müsse nun von der Straße kommen.

Der wird auch kommen. Nach den Großdemonstration in Edinburgh und den Live-8-Konzerten am Wochenende machen sich nun die Demonstranten zu Tausenden auf den Weg in die Lowlands. In Sterling, rund 20 Kilometer vom G-8-Tagungsort Gleneagles entfernt, haben Aktivisten ein Öko-Camp aufgebaut, in dem sich bereits über 3.000 Leute einquartiert haben. Sie wollen am Mittwochmorgen, kurz vor der Eröffnung des G-8-Gipfels, eine der großen Zufahrtsstraßen zum Tagungsort blockieren. Am Donnerstag haben Kirchen und Moscheen der Umgebung angekündigt, um Punkt 13.45 Uhr „Klimaalarm“ auszulösen. Sie wollen eine Minute lang die Glocken läuten lassen. Der G-8-Klimaaktionstag am Freitag soll dann der Abschluss der Protestwoche sein. Die Umweltorganisationen rechnen noch einmal mit zehntausend Teilnehmern – trotz, vielleicht aber auch gerade wegen Bushs Geständnis. FELIX LEE