wortwechsel
: Chancengleicheit und Bildung

Pisa ist wieder ein Thema und die Bildung der Kinder. Nicht nur die Saisonarbeiten haben Mindestlohn verdient, auch der Bauer. Und: die Ampelkoalition gibt Hoffnung!

Bildung für alle! Foto: Gerhard Leber/imago

Chancengleichheit

„Der Schock sitzt immer noch tief“,

taz vom 8. 12. 21

Endlich mal wieder ein Artikel zum Thema Bildung und Chancengleichheit, der über die aktuelle Corona-Situation hinausgeht! Erschreckend sind die Erkenntnisse der BildungsforscherInnen besonders in den Disziplinen Lesen und Mathematik 20 Jahre nach dem PISA-Schock: „Stagnation“ und sogar „tendenzielle Verschärfung sozialer Ungleichheit.“ Ich bin seit 30 Jahren in Hamburg-Wilhelmsburg, einem „sozialen Brennpunkt“, als Pädagoge tätig. Ich habe nicht nur genau diese Erfahrungen, die von Herrn Reith beschrieben werden, gemacht, sondern ich habe versucht, dem etwas entgegenzusetzen: sich gegen eine verfehlte Pädagogik und Schulpolitik zur Wehr setzen, Profilklassen in und Projekte außerhalb der Schule aufbauen und Netzwerkarbeit im Stadtteil betreiben. Nur so kommen wir aus meiner Sicht aus dem Dilemma heraus.

Wilhelm Kelber-Bretz

Pisa-Schock gab es nicht

„Der Schock sitzt immer noch tief“,

taz vom 8. 12. 21

Warum nur muss sich Deutschland immer wieder selbst belügen? „Das Land der Dichter und Denker“? Unsinn! Pisa-Schock?! Den hat es faktisch nie gegeben! Er ist lediglich ein Euphemismus für ein seit 70 Jahren katastrophales Schulsystem. Die Kultusminister der Bundesländer sagten sich plötzlich: „Huch! So schlecht sind wir im internationalen Vergleich? Wir müssen unseren Bildungsstandard umgehend erhöhen!“ Das taten sie mitnichten, sondern sie senkten das Bildungsniveau enorm! Und: Gute/sehr gute Noten wurden den Gymnasiasten inflationär nachgeworfen – und siehe da: „Deutschland“ war wieder „besser“ geworden – Selbstbetrug ohnegleichen! Ich habe 42 Jahre lang ganze Schüler-Generationen zum Abitur geführt und kenne diesen armseligen „Käfig voller Narren“, Schulsystem genannt, bestens.

Peter Kaschel

Mindestlohn

„Angst vor teurem Spargel“,

taz vom 7. 12. 21

Es ist erschreckend, mit welcher Arroganz und Kaltschnäuzigkeit der Gewerkschaftsboss über die schwierige Lage in den Obstbaubetrieben aufgrund der über 20 Prozent Anhebung des Mindestlohns hinwegreitet. Angemessene Entlohnung für gute Arbeit ist zu Recht eine soziale Frage. Dies sollte aber auch für die Angehörigen in den Familienbetrieben gelten. Deren Einkommen liegt – Schwankungen unterworfen – um die 50.000 € jährlich, für 2 Personen wohlgemerkt. Der höhere Mindestlohn führt auf einem durchschnittlichen Betrieb zu Mehrkosten von etwa 15.000 €. „Davon geht die Welt nicht unter“ – kann man mal so raushauen, wenn man seinen sicher gut bezahlten Posten hat. Dann kann man auch einfältig von Direktvermarktung sprechen, als ob dies der heute übliche Absatzweg wäre und es keinen knallhart verhandelnden Lebensmitteleinzelhandel gäbe. Dort treffen die Bauern dann auf ihre südlichen Kollegen, die selbst den Druck in wirklich prekären Arbeitsverhältnissen weitergeben. Mal mit den betroffenen Obstbauern reden wäre auch eine Lösung. Der Bauer sagt: Da muss erst das arrogante Sattsein verschwinden.

Manfred Büchele, Ravensburg

Impf-Werbung

„Hört auf den Schokoriegel!“,

taz vom 9. 12. 21

Wenn dem Handel (und den Herstellern) tatsächlich die Gesundheit ihrer Kunden am Herzen liegt, dann gäbe es weit mehr Möglichkeiten, etwas für gesunde Kunden zu tun. www.foodwatch.org kann da viele Geschichten erzählen. Passiert ist da bislang viel zu wenig. Gesundheitsschädigende Bestandteile und fragwürdige Zusatzstoffe sowie überflüssige, aber werbewirksame Nahrungsergänzungsmittel sind weiter in unseren Lebensmitteln enthalten, trotz vieler Protestaktionen und dank unfähiger Politiker. Mein Slogan-Vorschlag für bedenkliche Produkte: Lasst Euch impfen – aber verzichtet auf dieses Produkt, was Ihr gerade in der Hand haltet, denn es ist ungesund!

Dieter Stompe, Erfurt

Ampelkoalition

„395-mal ein Ja“,

taz vom 9. 12. 21

Wer den Menschen in Deutschland zukünftiges Wohlergehen gönnt, der muss auf den Erfolg der Ampel-Koalition setzen: Drei Parteien ziehen im Bundestag am gleichen Strick – eine Weiterentwicklung der deutschen Demokratie. Eine erfolgreiche Umsetzung des anspruchsvollen Ampel-Koalitions-Vertrags setzt kompetente, erfahrene Ministerinnen und Minister im Bundeskabinett voraus: In erster Linie Bundeskanzler Olaf Scholz. Einige – wichtige – Ministerposten sind mit überzeugenden Persönlichkeiten besetzt: so das Finanzministerium, das Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, das Arbeits- und Sozialministerium wie auch das Gesundheitsministerium. Eher problematisch erscheint mir die Besetzung des Innenministeriums wie des Außenministeriums. Bezüglich des Außenministeriums wird sich wohl die gleiche Regelung einpendeln, wie dies in der Ära Merkel der Fall gewesen ist: Der Bundeskanzler bestimmt in großen Zügen die deutsche Außenpolitik und damit im Großen und Ganzen – in Absprache mit Frankreich – auch die EU-Politik. Die Außenministerin wird eher die Details ausgestalten.

Jürg Walter Meyer, Leimen

Femizid nicht Suizid

„Übersteigerte Befürchtungen“,

taz vom 9. 12. 21

Der Redakteur benutzt den Begriff „erweiterter Suizid“. Damit wird suggeriert, dass auch die Frau und die Kinder sterben wollten. Aus dem Bericht geht hervor, dass nur der Mann sich gefürchtet hat vor einer Bestrafung und der Wegnahme seiner Kinder – warum sollte also die Frau umgebracht werden wollen? Solange es dazu keine Erkenntnisse gibt, benutzt doch bitte den entsprechenden Begriff „Mord“ oder „Femizid“. Denn es sieht doch eher nach einem genau geplanten Vorgehen aus: Die Beschaffung der Waffe, seine Frau wird in dem Abschiedsbrief anscheinend nicht erwähnt, (Ist sie ohne ihn nichts?), die Kinder sollte niemand anderes bekommen. Die Verwandten der Frau erben nach diesem Vorgehen nichts, weil er selbst nach ihr und den Kindern starb, geht das Erbe an ihn bzw. seine Verwandtschaft. Alles ist seins.

Sabine Nier, Oldenburg

Schweden und Corona

„Alle sollen, niemand muss“,

taz vom 9. 12. 21

Der ehemalige Staatsepidemiologe Gie­secke sagt in dem Artikel: „Wir haben keine Polizisten,die Leute bestrafen, weil sie nicht auf sich aufpassen.“ Dieser Satz ist aus einem Vergleich der Corona-Maßnahmen unterschiedlicher Länder entstanden und suggeriert, dass andere Länder Polizeistaaten ähnelten, die Bürger bevormundeten. In einer Pandemie, die durch eine ansteckende Krankheit verursacht wird, kann der Einzelne nur zu einem begrenzten Anteil auf sich selbst aufpassen. Und: Der spezielle gesellschaftliche Kontext wird nicht erwähnt: Inwiefern wurden z. B. Arbeitgeber in Schweden zu Maßnahmen angehalten, die diese dann auch freiwillig umsetzten? Wie sehen die juristischen Folgen von „Eigenverantwortung“ in Schweden aus? In Deutschland werde ich für die Eigenverantwortung, mein Kind nicht in den Präsenzunterricht zu schicken, bestraft! Im Büro werde ich für die Eigenverantwortung, MNS zu tragen, ausgelacht, gemieden oder angegriffen. Als Freiberuflerin bin ich gezwungen, mich an wechselnden Orten immer wieder Menschen auszusetzen, denen eine Corona-Ansteckung total egal ist. Deutschland ist ein anderes Land. Hier sind viel Besserwisserei, Respektlosigkeit und Egoismus in Umlauf. Deshalb werden hier klare Regeln gebraucht, weil sie alle schützen.

Sabine Sabranski, Berlin