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Das bleibt

Foto: Earth’s Black Box/www.earthsblackbox.com

Alles ist vergänglich. So war das doch, oder nicht? Die Blumen verwelken, das Spitzmaulnashorn stirbt aus, das Land wird vom Wasser verschluckt, die Zeit, sie rast. Und ein Menschenleben, das dauert, so lange es eben dauert. Meistens ist das nicht lange genug.

Wer über den sterblichen Körper hinaus bleiben will, verewigt sich. Wobei, was ist schon eine Ewigkeit? Da hat einer ein Buch geschrieben, eine war Schauspielerin, noch eine hat den weltbesten Kräuterschnaps gebrannt. Eine andere hat dem Nachbarn immer sonntags Blumen vor die Tür gestellt, das vergisst er ihr nie, und der Nachbar selbst klebt seit Jahren Sticker auf Straßenlaternenpfähle. Menschen sammeln Eindrücke und hinterlassen Abdrücke, gute und schlechte und auch sehr viele bedeutungslose, nicht alles davon mit Absicht. Ist es da hilfreich, dass es Dinge gibt, die uns überdauern? Was wäre denn erzählenswert, wenn die Menschheit mal verschwunden ist?

Irgendwo auf der australischen Insel Tasmanien wird etwas bleiben, länger als wir, das ist der Plan. Ein Zusammenschluss aus Forschenden und Künst­le­r:in­nen baut an einer unkaputtbaren Zeugin dessen, was wir in Sachen Klima falsch und vielleicht auch richtig gemacht haben werden. 10 Meter lang, mit 7,5 Zentimeter dicken Wänden aus Stahl, in ihrem Inneren solarbetriebene Datenträger, die 30 bis 50 Jahre lang die menschliche Klimaperformance für ein postapokalyptisches Publikum aufzeichnen – Temperaturen an Land und im Wasser, das CO2 in der Atmosphäre, aussterbende Tier- und Pflanzenarten, Zeitungstitel, Nachrichten, Social-Media-Posts und alle mögliche Berichterstattung von wichtigen Konferenzen wie etwa der COP26. „Earth’s Black Box“ heißt sie, wie ein Kunstobjekt oder eine Ausstellungs­kathe­dra­le sieht sie aus, und ihre stählerne Hülle soll Anfang 2022 fertig sein.

„Wenn wir unsere Lebensweise nicht dramatisch ändern, werden die Klimakrise und andere menschengemachte Bedrohungen die Zerstörung unserer Zivilisation herbeiführen. Die Earth’s Black Box wird jeden Schritt aufzeichnen, den wir auf diese Katastrophe zugehen“, steht auf der Website des Projekts. Die Aufzeichnung läuft, leuchtend orange und so schnell, dass mitlesen fast unmöglich ist: Datumsstempel, Uhrzeit, Buchstaben, Schriftzeichen, Hashtags, Japanisch, Deutsch, Französisch, Türkisch, Thai. Satzteile, Wortfetzen, ein Fuchs-Emoji. Ein Sturzflugschreiber als Weltuntergangschronistin.

Derweil notiere ich meine aktuellsten Abdrücke: Lieferdienst, Retoure, irgendein Tweet über Schnee in Berlin. Ob das später jemand wissen will? Besser nicht. Aber nun, das ist eine andere Geschichte. Lin Hierse

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