„Ich bin nicht erpicht auf Genfood“

Umweltminister Eckhard Uhlenberg (CDU) will Volieren für Hühner und Gentechnik für Lebensmittel. Sonst sei NRW nicht mehr konkurrenzfähig

„Man hat auf europäischer Ebene den Rahmen gesetzt für Gentechnik in der Landwirtschaft, da können wir nicht so tun, als ob das nicht interessiert. Gentechnisch veränderte Waren müssen deutlich etikettiert werden, damit der Verbraucher selbst entscheiden kann, was er kaufen möchte“

INTERVIEW: ULLA JASPER
und ANDREAS WYPUTTA

taz: Schönes Büro, Herr Minister. Aber wo ist der Hamster?

Eckhard Uhlenberg: Ein Hamster gehört nicht ins Büro, wir wollen ihn ja nicht einsperren.

Im Wahlkampf hat die CDU den Hamster als Symbol benutzt. Rot-Grün vernichte durch Umweltschutzauflagen Arbeitsplätze, haben Sie und Ihre Parteifreunde gesagt.

Durch den Naturschutz sind viele Maßnahmen gerade im Bereich der Infrastruktur verzögert worden. Aber mein Ministerium wird auch in Zukunft ein Umwelt- und Naturschutzministerium sein. Allerdings werde ich dafür sorgen, dass Umwelt- und Naturschutz nicht Arbeitsplätze zerstören.

Also wird Umweltschutz nun zweitrangig?

Nein, wir wollen nicht von einem Extrem ins andere. Auch bei uns werden Umwelt-, Natur- und Verbraucherschutz einen hohen Stellenwert haben. Aber man muss die Politik mit den Menschen machen und nicht gegen sie, so wie es Rot-Grün Jahre lang getan hat.

Ihre Vorgängerin Bärbel Höhn hat immer wieder betont, dass durch den Umweltschutz hunderttausende neue Arbeitsplätze entstehen können.

Es ist sicher richtig, dass in der Umweltpolitik oder der Energiebranche neue Arbeitsplätze entstehen können. Das wollen wir fortsetzen.

Diese Arbeitsplätze sind dadurch entstanden, dass sie von Rot-Grün gefördert wurden, etwa Windenergie und Biogas. Setzen Sie das fort?

Wir sagen im Koalitionsvertrag ganz klar, dass wir den Anteil der erneuerbaren Energien am Energiemix in den nächsten Jahren erhöhen wollen. Aber wir werden das nur sehr begrenzt mit der Windenergie schaffen, weil in NRW in den letzten Jahren schon sehr viele Windräder gebaut wurden.

Das heißt doch, dass Sie eine wichtige Politik von Rot-Grün fortführen: Der Landwirt soll in Zukunft auch Energiewirt sein.

Nein, das ist nie meine Sprache gewesen. Der Landwirt soll vor allem Lebensmittel produzieren, das ist seine klassische Aufgabe. Und die Aufgabe der Politik besteht darin, Rahmenbedingungen zu schaffen, die das den Bauern auch ermöglichen. Den Ausdruck vom „Landwirt als Ölscheich des 21. Jahrhunderts“ oder als „Energiewirt“ habe ich nie gebraucht. Wir sagen, die Hauptaufgabe der Landwirte ist die Produktion von Nahrungsmitteln, zweitens unsere Kulturlandschaft zu pflegen und erst dann Energie zu produzieren.

Der grüne Bundesumweltminister Jürgen Trittin sagt, Sie behandelten die Windkraft aus ideologischen Gründen restriktiver als Atomkraftwerke. Das sei ‚Irrsinn‘.

Quatsch. Ich sehe diesen Gegensatz nicht. Wir brauchen einen vernünftigen Energiemix. Mit Windkraft allein können wir unsere Energieprobleme nicht lösen.

Sie haben den Grünen vorgeworfen, eine Politik gegen die Landwirte zu machen. Doch Zahlen belegen, dass noch nie so viele Fördergelder in den ländlichen Raum geflossen sind wie in den vergangenen Jahren.

Aber es geht ja nicht allein ums Geld, sondern darum, wie sich die rot-grüne Politik ausgewirkt hat. Frau Höhn hat nun mal einen anderen Ansatz als ich, das ist ja auch legitim. Die Grünen wollen die flächendeckende Extensivierung der Landwirtschaft. Wir machen eine andere Agrarpolitik. Wir wollen, dass das Frühstücksei wieder aus NRW kommt und nicht aus riesigen Käfigen in Polen oder Ungarn mit niedrigeren Tierschutzstandards, weil unsere Landwirtschaft nicht mehr wettbewerbsfähig ist.

Gerade diese Zahlen zeigen doch, dass die deutsche Landwirtschaft mithalten kann: seit einigen Jahren steigt der Export deutscher Eier ins Ausland.

Aber es werden hier immer weniger Ställe gebaut, auch weil es keine Regelung für die Käfighaltung der Legehennen gibt. Ich möchte nicht, dass die Hühner in den alten Käfigen gehalten werden. Aber jeder weiß doch auch, dass es nun mal nicht geht, alle Tiere in Bodenhaltung zu halten, sonst leidet der Agrarstandort NRW.

Was heißt das konkret? Haben wir unter Ihrer Ägide bis 2012 weiter Käfighaltung?

Nein, im Gegenteil. Ich möchte mich noch viel schneller von der klassischen Käfighaltung verabschieden. Aber die rot-grüne Regierung auf Bundesebene verhindert doch seit zwei Jahren, dass wir da zu einer Einigung kommen und die Kleinvolieren statt der klassischen Käfige einführen.

Einen Kompromiss hat die CDU/CSU im Bundesrat doch seit Jahren blockiert.

Wir haben nur versucht, damit Bewegung in die Sache zu bringen.

Und statt dessen Stillstand erzeugt?

Ich glaube, es war legitim, die Frage der Legehennenverordnung mit der Schweinehaltungsverordnung zu verbinden, weil es um die Stärkung der Landwirte insgesamt in Deutschland geht.

Die harte Linie Ihrer Partei in Sachen Legehennen und Schweinehaltung wird von Tierschützern vehement kritisiert.

Ich sehe das anders. Ich habe mir die Volieren angesehen und glaube, dass das mit dem Gedanken des Tierschutzes zu vereinbaren ist. Wer die Käfighaltung nicht mehr will, der muss sich eben bewegen und kann nicht einfach sagen, das Heil liege allein in der Freilandhaltung. Das ist eine Politik, die an der Realität vorbei geht.

Dennoch: Ist es nicht illusorisch, über den Preis mit Osteuropa zu konkurrieren? Ist eine hohe Qualität nicht der einzige Wettbewerbsvorteil?

Das eine muss das andere nicht ausschließen. Aber ich will als Minister die Rahmenbedingungen so gestalten, dass die 40.000 landwirtschaftlichen Betriebe in NRW eine Zukunft haben. Die Bauern setzen eine enorm große Hoffnung in die neue Landesregierung. Auch weil jetzt jemand Minister ist, der selber eine landwirtschaftliche Lehre und Meisterprüfung gemacht hat und selbst einen Hof bewirtschaftet und nicht von außen kommt und ihnen sagt, was sie zu tun haben.

War es nicht gerade der Charme der Politik ihrer Vorgängerin, dass sie den Bauern neue Absatzchancen abseits der Nahrungsmittelproduktion eröffnen wollte – als Energiewirt, als Landschaftspfleger.

Die Landschaftspflege und die Energieerzeugung sind weitere Standbeine neben der Nahrungsmittelerzeugung, die wir auch unterstützen.

Aber es ist doch das Ziel der EU-Agrarreform, diese Nischen stärker zu fördern. Diese Entwicklung können Sie nun doch gar nicht mehr aufhalten.

Dieser Teil der Reform ist ja auch in Ordnung. Aber ob diese ganze Reform mit all den Ausgleichszahlungen so klug ist, wird sich zeigen. Es gibt Bereiche in der Landwirtschaft, in denen sind wir bisher auch ohne den Staat hervorragend ausgekommen: Schweinemarkt, Kartoffeln, Gemüse.

Die aktuelle Debatte um den EU-Agrarhaushalt könnte dramatische Auswirkungen auf die deutsche Landwirtschaft haben: Wenn sich Tony Blair mit seiner Forderung zur Reduzierung der Agrarausgaben durchsetzt, dann kann die deutsche Landwirtschaft einpacken, oder?

Tony Blair ist durch eine ganz andere Agrarpolitik in England geprägt. Wenn wir uns noch mal die BSE-Debatte vor Augen führen und diese fürchterlichen Bilder von großen Bergen toter Tiere, dann muss ich sagen: Wir müssen uns gemeinsam mit allen Beteiligten für eine faire Verbraucher- und tiergerechte Landwirtschaft einsetzen.

Wenn sich Blair trotzdem durchsetzten sollte, wird es zu Einsparungen kommen. Kürzt dann der konventionelle Landwirt Uhlenberg vor allem die Förderung der Biobauern?

Nein, ich vertrete die Interessen aller Bauern. Wir haben hier in NRW eine sehr vielschichtige Landwirtschaft. Meine Aufgabe besteht nicht darin, in erster Linie die konventionelle Landwirtschaft zu verteidigen. Der Landwirt ist Unternehmer und muss selbst entscheiden, wie er seinen Betrieb bewirtschaften will. Ich bin Ansprechpartner für alle Bauern. Der Unterschied zur grünen Agrarpolitik wird nur darin bestehen, dass ich nicht sage, wir brauchen hier einen Anteil von 20 Prozent Bioprodukten. Da muss sich der Staat raushalten.

In der Frage der Gentechnik sind Sie deutlich weniger verbraucherfreundlich: Zwar lehnt die große Mehrheit der Verbraucher jede Form von Gentechnik in der Landwirtschaft ab, CDU und FDP befürworten jedoch ausdrücklich die Ausweitung.

Hier kommt ein Stück Realität in der Landespolitik an. Man hat auf europäischer Ebene den Rahmen gesetzt für Gentechnik in der Landwirtschaft, da können wir doch nicht so tun, als ob uns dieser Rahmen nicht interessiert. Wir können ja nicht einfach die Grenzen zumachen. Den weltweiten Entwicklungen können wir uns nicht verschließen, denn dabei geht es nicht zuletzt um neue Arbeitsplätze in NRW.

Dennoch macht das Thema den Menschen Angst. Ein großer Teil der Bevölkerung lehnt die Gentechnik ab.

Deswegen bin ich ja auch für die Wahlfreiheit. Gentechnisch veränderte Waren müssen deutlich etikettiert werden, damit der Verbraucher selbst entscheiden kann, was er kaufen möchte.

Wofür würde sich denn der Verbraucher Eckhard Uhlenberg entscheiden?

Ich glaube, wir greifen heute schon zu gentechnisch veränderten Lebens- und Futtermitteln. Ich bin nicht erpicht auf Genfood. Aber wir müssen uns der Herausforderung stellen.

Widerspricht dieser Eingriff in die Schöpfung nicht dem christlichen Menschenbild der CDU?

Wir sind da sehr vorsichtig. Schon im Koalitionsvertrag haben wir unsere Position klar herausgearbeitet. In der Forschung sind wir schon der Meinung, dass wir diesen Weg gehen sollten, denn es gibt auch Chancen in der grünen Gentechnik.

Ihre Vorgängerin Bärbel Höhn galt immer als Generalistin, die sich für Verbraucherinteressen genauso eingesetzt hat, wie für Umweltschutz und Landwirtschaft. Es bleibt der Eindruck, dass Ihnen der Verbraucherschutz weniger wichtig ist.

Dieser Eindruck ist falsch. Ich habe nicht zuletzt dafür gekämpft, dieses Ministerium so zu erhalten, wie es ist: Der Verbraucherschutz ist nicht ausgegliedert worden. Und als Minister werde ich den Verbraucherschutz weiter stärken.

Im Wahlkampf haben sie angekündigt, die Bauern von Frau Höhn ‚befreien‘ zu wollen. Wie sehen ihre Pläne für die ersten hundert Tage aus?

Wir werden den Schweinehaltungserlass aufheben und die Kleinvolierenhaltung einführen. Da wird es keine nordrhein-westfälischen Sonderwege mehr geben. Und wir wollen eigene Konzepte entwickeln, um die Umweltverwaltung neu zu organisieren. Doch eines will ich auch sagen: Frau Höhn ist eine ganz engagierte Ministerin gewesen, die ihren Job gemacht hat. Das erkenne ich auch an. Aber sie hat eben einen ganz anderen Zugang zur Landwirtschaft.

Herr Uhlenberg, Sie wollen also nicht nur Agrar- sondern auch Umwelt- und Verbraucherschutzminister sein. Aber Bio-Bauer werden sie nicht doch noch, oder?

Wenn mein Sohn morgen sagt: ‚Ich werde Bio-Bauer‘, dann würde ich ihm viel Erfolg wünschen und ihn mit ganzen Kräften dabei unterstützen.