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Augenkrankheiten, fällige Operationen: Die NGO „Light for the World“ vernetzt und organisiert Augenärzte und -ärztinnen und kümmert sich um Pa­ti­en­t*in­nen in aller Welt

Eine Frau aus dem Benin mit Augenleiden Foto: Nicolas Marino/Novarc Images/mauritius images

Von Christine Zeiner

Eigentlich sollte Irene Ruhswurm alle zwei Jahre nach dem Rechten sehen. Die Augenärztin bereist Burkina Faso, Mosambik, Äthiopien für die NGO „Light for the World“ (LftW) – auf eigene Kosten und in ihrer Freizeit. Doch auch wegen Corona ist das zurzeit nicht möglich. Nächstes Jahr sollte Mosambik dran sein. 2019 hatte der Wirbelsturm „Idai“ die erst ein Jahr zuvor eröffnete Augenklinik zerstört. Light for the World hat sie finanziert, sie ist Teil eines Krankenhauses der Hafenstadt Beira. Der Betrieb war nur noch eingeschränkt möglich. Mittlerweile ist die Augenklinik mithilfe zahlreicher Spenden wiederaufgebaut und in Betrieb.

Ruhswurm und ihre Kol­le­g*in­nen schauen, was mit den Spenden passiert, wo Gelder benötigt werden, welche Verbesserungsmöglichkeiten es gibt. „Als Augenärztin kann ich das gut bewerten“, sagt Ruhswurm. „Ich stehe gerade für die Spenden, ich bin Botschafterin der NGO.“

Die 52-Jährige ist seit vielen Jahren selbst Spenderin für LftW, seit 2007 arbeitet sie ehrenamtlich mit und seit 2014 ist sie zusätzlich im Vorstand tätig. „Anfangs hatte ich Sorge, wie ich das in meinen Alltag einbauen kann“, sagt Ruhswurm. Neben den Reisen ist sie bei „unzähligen Veranstaltungen“ der NGO dabei, unterschreibt Briefe an Großspender*innen, steht Interessierten Rede und Antwort, macht Werbung in ihrer Praxis in Wien und bei Kolleg*innen: Viele erblindete Menschen müssten nicht blind sein, sagt sie.

Eine Operation des Grauen Stars beispielsweise dauert 15 Minuten und ist vergleichsweise einfach durchzuführen. Doch wenn Ärz­t*in­nen und Krankenhäuser fehlen sowie schnelle und kostenlose Transporte in die Kliniken, nützt dies wenig. In Österreich arbeiten 1.000 Augenärzt*innen, in Deutschland 8.000. In Burkina Faso beispielsweise sind es bei einer Bevölkerung von 20 Millionen nicht einmal 40. Light for the World baut an Kliniken mit, finanziert Ausbildungen, Krankentransporte und Ärz*innen, die regelmäßig in entlegene Dörfer fahren, um Menschen zu untersuchen und zu unterstützen.

Ruhswurm war mehrmals an Untersuchungs- und Operationstagen dabei – und jedes Mal sehr berührt: „Man sieht eine Schlange an Menschen, alle sind erblindet und warten geduldig auf Sehtests und Operationen. Wenn nach der Operation am nächsten Tag, der Verband abgenommen wird, ist die Freude grenzenlos. Die Menschen können ihre Familie wieder sehen, am Alltag teilhaben, brauchen keine Hilfe mehr.“ Es gebe aber auch immer wieder belastende Ereignisse. „Es ist bitter, wenn sich Familien große Hoffnungen machen, die Ärztinnen und Ärzte aber nach der Voruntersuchung nichts mehr tun können“, sagt Ruhswurm. Retinoblastom etwa – eine Krebserkrankung des Auges – trete bei Babys und kleinen Kindern auf und könne eigentlich auch gut behandelt werden. „Man muss es nur schnell entdecken. Im Grunde ist das eine ganz einfache Untersuchung, die bei uns Standard ist.“ Doch in Ländern, in denen Light for the World tätig ist, gibt es zu wenig Möglichkeiten der Vorsorge.

Doppelt negativ betroffen sind laut der NGO dabei Mädchen und Frauen. Zu den Untersuchungen kämen stets mehr Männer. „Bei unserer Arbeit müssen wir also darauf achten, dass Benachteiligte nicht noch weiter benachteiligt werden“, sagt Ruhswurm.

Einerseits will man laut Pressesprecherin Natalie Plhak vor allem auf die spezifisch medizinische Ausbildung von Frauen setzen. Andererseits soll künftig mehr augenmedizinische Versorgung angeboten werden – mit dem Ziel, mehr Frauen und Mädchen zu erreichen. Geplant sind auch mehr mobile Einsätze: „Die Klinik kommt also zur Patientin, wenn die Patientin nicht zur Klinik kommt“, sagt Plhak.

Aber warum ist eine banale Versorgung offenkundig überhaupt erst vor allem durch ein NGO-System und Spendengelder möglich? Bei einer Reise nach Assam in Indien, auf die ich von LftW eingeladen wurde, räumte dies auch der Journalist Manosh Das von der Times of India ein: Es müsse mehr von staatlicher Seite geschehen, sagte er. „Man muss den Druck auf die Regierung erhöhen. Geld ist genug da.“ Auf die Frage, wohin die Gelder gingen, wich Das aus. Ein indischer Sozialarbeiter wurde konkreter: „Korruption“, sagte er.

„Viele erblindete Menschen müssten nicht blind sein“

Irene Ruhswurm (LstW)

Welche Gründe es auch jeweils für die schlechte Gesundheitsversorgung gibt, auch für die Bremer Augenärztin Silvia Bopp steht fest: „Der Bedarf an Unterstützung ist groß.“ Bopp ist für die deutsche Schwesterorganisation – ebenfalls Light for the World – ehrenamtlich tätig und wie ihre Wiener Kollegin Ruhswurm im Vorstand der NGO. Und auch wie Ruhswurm operiert Bopp nicht selbst in den Partnerländern. „Ein paar Fälle hier und da zu operieren, ist ein Tropfen auf dem heißen Stein“, sagt Bopp. Man wolle auch nicht als „Götter in Weiß aus Europa“ auftreten, sondern Strukturen für eine nachhaltige Verbesserung schaffen.

Immer wieder hält Bopp, die im Bereich Glaskörperchirurgie hochspezialisiert ist, Vorträge in den Partnerländern ihrer NGO – und ist beeindruckt davon, wie viele Ärz­t*in­nen und Pfle­ge­r*in­nen sich jedes Mal Zeit nehmen, um zuzuhören. Erstaunt sei sie auf ihren ersten Reisen auch davon gewesen, wie schnell Wissen umgesetzt würde. Nun habe Corona ihre Arbeit eingeschränkt, auch wenn es die eine oder andere Fortbildungsveranstaltung über Zoom gebe. „Aber in Coronazeiten setze ich mich in kein Flugzeug.“ Ihre Reisen finanziert auch Bopp selbst.

Und das sei auch gar nicht der aufwändigste Aspekt des Ehrenamts, sagt die Wiener Augenärztin Ruhswurm. „Viel mehr Aufwand ist die Organisation dahinter.“ Für ihre kassenärztliche Praxis müsse sie eine Vertretung organisieren, Kol­le­g*in­nen im Krankenhaus müssten sich Urlaub nehmen. Die ehrenamtliche Arbeit in Wien sei vor Weihnachten am intensivsten, „wenn mich jemand fragen würde, ob ich noch ein Ehrenamt übernehmen möchte, müsste ich absagen.“

Ehrenamtlich tätig werden kann man bei Light for the World indes nicht nur als Augenärzt*in: Spendengelder werden laut der NGO gespart, weil es Menschen gibt, die gratis Fenster reparieren, Datenbanken betreuen und bei der Buchhaltung mithelfen. „Die Menschen, die uns in den Büros ehrenamtlich unterstützen, kommen aus beruflich ganz unterschiedlichen Kontexten, da schaufelt sich der CEO genau wie die Familienmanagerin Zeit frei“, sagt Stephanie Paul, ebenfalls Pressesprecherin von Light for the World. Ohne das Ehrenamt – nicht nur im gesamten Vorstand – würde „nichts gehen“.

www.light-for-the-world.org