Nachos auf der Flucht

Sie wohnen im Sommerloch zwischen Lübeck und Rostock und manche verwechseln sie mit mexikanischen Chips. Dabei stammen Nandus aus Südamerika, sind Laufvögel und haben erstaunlichen Einfluss auf die Sprache der Medien

Ein heißer Tipp für Oskar Lafontaine (NN-Partei). Es gibt noch sprachliche Biotope, in denen jeder seinen Ausländerhass ganz ungeniert austoben kann: Die Berichterstattung über Neozoen, also nicht ursprünglich in unseren Breiten beheimatete Tiere. Zum Beispiel Nandus.

Weltoffene, aber zoologisch desinteressierte Freunde fragen, wenn sie Nandu hören, ob das nicht diese leckeren mexikanischen Mais-Chips sind, die man in Avocado-Crème dippt. Aber das sind Nachos. Bei Nandus könnte das schwierig werden. Die kommen zwar auch aus Lateinamerika. Aber weiter südlich. Und außerdem werden die flugunfähigen Vögel bis zu anderthalb Meter groß. Seit 1997 widmet ihnen die norddeutsche Presse pro Sommer mindestens einen Bericht. Seit fünf Jahren steigt die Frequenz, und die Beiträge werden ausführlicher. Damals nämlich sind sechs der so genannten Pampa-Sträuße einem schleswig-holsteinischen Züchter entlaufen, haben sich auf dem ehemaligen Todesstreifen angesiedelt und Nachwuchs gezeugt. „In freier deutscher Wildbahn“, vermeldete gestern ein Korrespondenten-Bericht.

Verbreitet hat den die deutsche Presseagentur. Und die dpa-Autorin weiß: Nandus sorgen in Nordwestmecklenburg „für Unruhe“. Sie verursachen „Streit in der Region“ – obwohl deren Siedlungsdichte kaum größer ist als die der Sahara. Aber es handelt sich halt um „illegale Einwanderer“, die sich „breit“ machen, Naturschutz-Schmarotzer in der „idyllischen Flussniederung“.

Ja, das liest sich, als hätte sich die Hauptinformationsquelle deutscher Medien über Nacht in „strammdeutsche Presseagentur“ umbenannt. Hat sie aber nicht. Und der Vergleich zeigt: Der Jargon ist normal. Auch bei Associated Press hält man Nandu-Features in diesem Ton, auch dort erwägt man „das Ausrotten der Fremdlinge“ (März ’05). Man spricht dieselbe Sprache.

Zu deren Gesetzmäßigkeiten gehört: Wo idyllische deutsche Flussniederungen auftauchen, ist der treue Jägersmann nicht weit. Der deutsche Jäger nimmt an fremdem Vogelblut auf deutschem Boden Anstoß. Und er weiß um die „einmaligen Insekten“ in seinen Auen. Hier nämlich zirpt das deutscheste aller Gliedertiere, die Oedipoda germanica, die Ödlandschrecke! Die germanische Ödlandschrecke ist „bedroht“ durch die Nandus, sagt Jägermeister Wolf Jürgen Menken. Nandus nämlich fressen Insekten und Amphibien. So wie früher der Storch. Aber den hat der Nandu ja nun verdrängt, dieser „Lebensraumkonkurrent“. Oder wie war das?

Zwar kennt das Landes-Umweltamt keine Belege für Schäden durch Nandus. Aber was vermag die kleinkrämerische Bürokratie schon gegen die unfehlbare Ahnung eines deutschen Jagdpächters? „Einheimische Tierarten müssen doch vor Fremdlingen geschützt werden“, ruft dieser uns zu. Und erklärt sich bereit, an der Lösung der Nandu-Frage mitzuwirken. Wenn man ihn denn ließe. Doch „Jagd auf die Nandus machen“, das darf er nicht. Wer hindert ihn daran? „Das Washingtoner Artenschutzabkommen“, dieser Schandvertrag, hält seine Hand über „die Nandu-Brut“.

Auch Bauer Böhm leidet auf seiner Scholle in Schattin unter den „Eindringlingen“ und hat seine gerechte Empörung der dpa anvertraut. Vielleicht klauen ihm die Nandus die guten deutschen Kartoffeln. Auf jeden Fall aber verschrecken sie des Bauern Rind: Tomas Böhm hält Galloways. Reinrassige versteht sich. Und vermutlich mit Arier-Nachweis. benno schirrmeister