Aufschwung im Nebel

Nach zweitägiger Haushalts-Klausur berichtet Schleswig-Holsteins Landeskabinett, dass die Ausgaben und Kreditaufnahmen sinken. Wo konkret gespart wird, belässt man lieber im Unklaren

Aus Kiel Esther Geißlinger

„Dies war die erste große Nagelprobe der Koalition“, sagte die stellvertretende Ministerpräsidentin Ute Erdsiek-Rave (SPD) über den Haushaltsentwurf. Zwei Tage lang hatte das Kieler Kabinett zusammengesessen – die Ministerriege unter Peter Harry Carstensen (CDU) plante den großen Wurf, der das Land aus den roten Zahlen befördern sollte. Dass der Haushalt dramatisch aussieht, hatte Carstensen schon im Wahlkampf gern betont, als es noch gegen Heide Simonis ging.

Daher war spannend, wie er und seine Truppe es nun schaffen wollten, den Altschuldenberg abzubauen, weniger neue Schulden aufzunehmen und gleichzeitig die Investitionen anzukurbeln. Das Ziel sei erreicht, verkündete Carstensen stolz: Die Nettoausgaben sollen sinken, wenn auch nur um 0,1 Prozent. Die Nettokreditaufnahme fällt im Vergleich zu 2004, und investieren will das Land ebenfalls, unter anderem in Arbeit, Bildung und Infrastruktur.

Bei den Nachfragen, wie das genau gehen solle, an welchen Stellen der Sparhammer kreise, blieb Finanzminister Rainer Wiegard allerdings ein wenig nebulös: „Das Einsparpotenzial ergibt sich aus den vielen Posten im Haushalt.“ Und der sei immerhin 3.000 Seiten dick, da könne er nicht jede Zahl im Kopf haben. Allerdings gibt es eine Sparliste, in der unter anderem steht, dass das Land keine neuen Naturschutzflächen kaufen will: „Das bringt keine Investitionen“, erklärte Carstensen.

Gespart wird auch bei Förderprogrammen, beim Blindengeld, bei Verwaltungsaufgaben und langfristig bei Stellen von Landesbediensteten – im Gespräch sind rund 2.000 Posten. Carstensen sagte auch, dass er seinen Ministerpräsidenten-Etat deutlich zusammenstreicht: „Wenn wir das Blindengeld kürzen, können wir keine Volksfeste finanzieren.“ Polizisten sollen nach dem Willen der Regierung länger arbeiten, statt mit 60 Jahren und einer Abfindung aus dem Dienst zu scheiden.

Gut gespart also? Der Haushalt bleibt in den roten Zahlen, auch im Jahr 2006 muss die Regierung neues Geld aufnehmen. Der Rotstift wird in allen Bereichen angesetzt, mal mehr, mal weniger stark. Akzente setzt das Carstensen-Kabinett bei den Investitionen: Arbeit, Straßen und Wirtschaftsförderung gut, Umwelt und Soziales unwichtiger –das war zu erwarten und stand auch schon in den Wahlprogrammen.

Knapp 70 Tage ist die neue Regierung im Amt – „und es war auch Pfingsten dazwischen“, wie Wiegard betonte –, an zwei große Aufgaben hat sie sich herangewagt: Die Verwaltungsstrukturen zu reformieren und den Haushalt zu sanieren. Beides sind schwere Brocken – bemüht wurde der gute alte Herkules –, die sich nicht sofort stemmen lassen. In beiden Fällen hat die Regierung Vorgaben gemacht, aber sie setzt auch auf Verhandlungen: Für die Verwaltungsreform sollen die Kreise, Ämter und Gemeinden Vorschläge machen dürfen, beim Haushalt, das berichtete Ministerin Ute Erdsiek-Rave, sei es sehr angenehm, „genaue Vorgaben zu erhalten, aber nicht mit dem Rasenmäher kürzen zu müssen“.

In Einzelfällen gab es sogar einvernehmliche Lösungen: Das Blindengeld wird zwar gekürzt, gleichzeitig schafft das Land einen Sonderfond, um Barrieren abzubauen. Den Wohlfahrtsverbänden, die zehn Prozent Zuschüsse verlieren sollen, will die Regierung immerhin zusichern, dass sie fünf Jahre lang keine weiteren Einbußen erleiden müssen. „Professionell und sachorientiert“ habe die schwarz-rote Runde gearbeitet, lobte Carstensen. Bis zur ersten Regierungsbilanz bleiben noch gut 30 Tage Zeit.