Wurm und Wunderkind

Seit gestern wird gegen den 19-jährigen Urheber des weltweit wirksamen Computervirus „Sasser“ verhandelt

Einen „Wunderjungen“ hatte ihn die BBC genannt, einen, der die Deutschen hoffen ließ, sie hätten vielleicht doch das Zeug dazu, sich mit klugen Köpfen und Technologie-Transfer auf dem Weltmarkt zu behaupten – allen Pisa-Unkenrufen zum Trotz. Seit gestern muss sich dieser vermeintliche Hoffnungsträger vor dem Landgericht Verden verantworten. Die Anklage: Computersabotage und Störung öffentlicher Betriebe.

Der heute 19-jährige Sven J. hat gestanden, den Computervirus „Netsky“ und „Sasser“ programmiert und in Umlauf gebracht zu haben. Der Wurm hatte im Frühjahr 2004 Rechner auf der ganzen Welt befallen und unbrauchbar gemacht. Betroffen waren sowohl Millionen von Privatnutzern, deren Systeme sich innerhalb weniger Wochen per E-Mail mit „Sasser“ infiziert hatten, als auch zahlreiche Unternehmen. Bekannt wurden Fälle wie die der US-Fluggesellschaft Delta, die wegen Computerproblemen Flüge streichen musste, oder der 400 Postfilialen in Taiwan, in denen die gesamte elektronische Datenverarbeitung ausfiel. Chaos auch bei der Australischen Eisenbahn, wo Züge gestoppt werden mussten, weil die Fahrer keinen Kontakt mehr zum „Bodenpersonal“ hatten.

Gemeinsam ist allen Betroffenen, dass sie die Microsoft-Produkte Windows 2000 oder Windows XP auf ihren Rechnern installiert hatten. „Worm boy wonder“ Sven J. hatte mit „Sasser“ einen Virus kreiert, der eine bereits bekannte Sicherheitslücke der beiden Betriebssysteme nutzte. Er wollte damit nichts Böses, nur Anerkennung wünschte sich der Berufsschüler, wie er in einem Exklusiv-Interview mit dem Stern beteuerte, nachdem er im Mai 2004 in seinem Elternhaus bei Verden festgenommen worden war.

Ein eingeweihter Freund hatte ihn verraten, nachdem Microsoft eine Belohnung von 250.000 US-Dollar ausgesetzt hatte. In den darauf folgenden Ermittlungen meldeten sich 142 Geschädigte, die einen Schaden von insgesamt 130.000 Euro angaben. Wie viele Unternehmen tatsächlich betroffen waren, „darüber können wir nur spekulieren“, sagte gestern eine Sprecherin des Landgerichts. Die Schäden gehen laut Staatsanwaltschaft „weltweit in die Millionen“.

Eine Haftstrafe erwarte Sven J. nur dann, wenn das Gericht bei ihm „schädliche Neigungen oder eine besondere Schwere der Schuld“ feststelle, so die Sprecherin. Fünf Jahre Haft wären allerdings das Höchstmaß, weil er zum Zeitpunkt der Tat noch nicht volljährig war. Es ist der Grund dafür, dass die Verhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Experten gehen davon aus, dass das für Donnerstag angekündigte Urteil milde ausfallen wird.

Angst hat der Angeklagte laut eigener Aussage vor allem vor den möglichen Schadenersatzforderungen, ganz abgestürzt ist er nicht. Sven J. arbeitet bei einer Computerfirma für Sicherheits-Software. Und „Sasser“? Der ist immer noch aktiv. EIKEN BRUHN