Und sie können es doch!

DEUTSCHLAND Gegen Griechenland spielt die deutsche Mannschaft nicht nur effektiv, sondern auch kreativ

DANZIG taz | Sie sind sich jetzt ziemlich sicher, dass sie Europameister werden können. „Der Titel geht nur über uns. Wir wissen, dass wir eine sehr starke Mannschaft sind“, sagt Marco Reus. Und André Schürrle meint: „Es ist unser Ziel, den Pott zu holen.“ Wenn man die zwei reden hört, scheint der Titel nur noch eine Formsache zu sein.

In der Vorrunde ist das DFB-Team solide und effektiv aufgetreten, aber spielerisch überzeugen konnte die Elf trotz der Siege gegen Dänemark, Portugal und Holland nicht. Bundestrainer Joachim Löw ging in der Gruppenphase zu sehr auf Nummer sicher. Er scheute das Risiko. Anders im Spiel gegen Griechenland, dem Gegner im Viertelfinale, der am Freitagabend mit 4:2 besiegt wurde. Neu waren die Leichtigkeit und der Esprit, mit dem die Spieler zu Werke gingen. Es wurde endlich schöner Fußball gespielt. Sie können es doch!

Dieses Spiel markiert eine Wende im Turnier. Denn das etwas zähe, teigige, FC-Bayern-mäßige Spiel, das die DFB-Elf in der Vorrunde gewählt hatte, ist vergessen. Es wurde abgelöst durch schnellen, unterhaltsamen, Mönchengladbach-mäßigen Angriffsfußball. Nun redet niemand mehr vom defensivlastigen DFB-Fußball, jetzt steht der Offensivkick im Mittelpunkt. Auch hat sich die Mannschaft endlich gefunden. Jetzt scheint die Mischung zu stimmen, ebenso die Balance zwischen Angriff und Abwehr.

Das Spiel gegen Griechenlands Elf, die schlichtweg „überfordert“ (Löw) gewesen sei, kam also gerade recht, um in den Knock-out-Spielen ein neues Kapitel zu schreiben.

Das lag in erster Linie an Löws radikalen Umbaumaßnahmen in der Offensivabteilung: André Schürrle kam für Lukas Podolski, Miroslav Klose für Mario Gomez und Marco Reus für Thomas Müller. Ein spielerischer Paradigmenwechsel, der zu folgender Erkenntnis führte: Das deutsche Team kann nicht nur effektiv sein, sondern auch kreativ. Bewegung in der Spitze, Rochaden, gewiefte Positionswechsel und schöner Kombinationsfußball – all das war gegen Griechenland Trumpf.

Das neue Deutschland dürfte in dieser Formation auch im Halbfinale am Donnerstag in Warschau auflaufen. Warum sollte Löw auch umstellen? Er will schließlich den EM-Titel gewinnen, und zwar nicht irgendwie, sondern er möchte als Dirigent einer begnadeten Offensivtruppe in die Fußballgeschichte eingehen. So viel zum Anspruch an sich und seine Mannschaft.

Der mögliche Triumph soll keinen Makel haben wie jener der Griechen 2004. Es hatte ihn ja, wie im Übrigen auch Thomas Müller, gewurmt, dass die EM-Erfolge in der deutschen Presse nicht das entsprechende Echo ausgelöst hatten. Die zu defensive Ausrichtung war überall bekrittelt worden.

Mit 24 Torschüssen setzte die DFB-Elf gegen die Griechen aber nun ein Ausrufezeichen. Auch das Passspiel lief wunderbar. Hier erreichte die Elf spanische Bestmarken. „Die Spanier sind das Maß aller Dinge – wie sie sich bewegen, in der Raumaufteilung“, schwärmte am Sonntag Kapitän Philipp Lahm. Wenn alles nach Plan läuft, dann wird die DFB-Elf am kommenden Sonntag auf das Vorbild Spanien treffen. Es wäre eine Neuauflage des letzten EM-Endspiels. Zeit für eine Revanche. MARKUS VÖLKER