Japans Post geht ab

Premier Koizumi drückt historische Reform durch: Japans Post, ein Machtinstrument, wird privatisiert

BERLIN taz ■ Mit nur 5 Stimmen Mehrheit hat das japanische Unterhaus gestern die umstrittene Privatisierung der Post beschlossen, obwohl die regierende Koalition aus Liberaldemokraten (LDP) und buddhistischer Komeito eigentlich 284 der 480 Sitze zählt. Doch die sechs Reformgesetze sind in der LDP von Ministerpräsident Junichiro Koizumi umstritten. Zwar waren in den Vortagen noch Änderungen vorgenommen worden, um Kritiker aus den eigenen Reihen zur Zustimmung zu bewegen. Dennoch sah sich Koizumi gestern gezwungen, die Abstimmung mit der Vertrauensfrage und so mit der Drohung vorgezogener Neuwahlen zu verbinden.

„Es war ein Spiel um Haaresbreite“, sagte ein sichtbar erleichterter Koizumi nach der Abstimmung laut der japanischen Agentur Kyodo. Er räumte ein, mit einer größeren Mehrheit gerechnet zu haben. „Es bleibt noch ein harter Weg durchs Oberhaus.“ Denn dort verfügt die Regierung über eine geringere Mehrheit als im Unterhaus.

Für den seit 2001 amtierenden Koizumi ist die Privatisierung der Post das wichtigste Reformvorhaben. Das jetzt vom Unterhaus verabschiedete Gesetzespaket sieht vor, die Post ab April 2007 unter einer Holding in vier Bereiche aufzuteilen: Briefgeschäft, Bank, Lebensversicherung und Verwaltung. Bis 2017 sollen sie schrittweise privatisiert werden.

Japans Post ist insbesondere in ländlichen Regionen ein wichtiges Machtinstrument der fast ununterbrochen regierenden LDP. Mit Einlagen von umgerechnet 2,55 Billionen Euro ist sie die größte Bank der Welt. Die Einlagen wurden hauptsächlich in Regierungsanleihen investiert, mit denen viele öffentliche Bauvorhaben finanziert wurden. Damit erkaufte sich die LDP in strukturschwachen Gebieten, wo sie ihre Hochburgen hat, die Gunst der Wähler.

Zum harten Kern der LDP-Unterstützer zählten bisher auch viele Postmitarbeiter. Diese befürchten, dass im Rahmen der Privatisierung etliche der knapp 25.000 Filialen schließen müssen und viele der 260.000 Angestellten entlassen werden. Für Koizumi war die Post dagegen bisher ein Beispiel für Ineffizienz im öffentlichen Sektor.

Die größte Oppositionspartei, die Demokratische Partei (DP), stimmte gegen die Privatisierung, weil ihr die Postreform nicht weit genug geht. Die DP wirft der Regierung vor, die Reformen auf Druck einiger LDP-Abgeordneter verwässert zu haben. Noch gestern begann Koizumi LDP-Abgeordnete zu bestrafen, die gegen die Privatisierung gestimmt hatten. Vier abtrünnige Vize- und Staatsminister verloren ihre Posten. SVEN HANSEN