Lob, Kritik und Gesäusel

SCHANZENFEST Die Bürgerschaft debattierte über die Krawalle im Schanzenviertel am Wochenende. Offen blieb, was am Samstag vor der Lerchenwache passierte

Bei den Krawallen am Wochenende hat es nach Polizeiangaben mindestens 60 Verletzte und 130 Fest- und Ingewahrsamnahmen gegeben.

■ Zu den Auseinandersetzungen kam es nach einer Kundgebung der NPD in der Nacht zum Samstag und nach dem Schanzenfest in der Nacht zum Sonntag.

■ Die Gewerkschaft der Polizei (GDP) verteidigt das Vorgehen der Einsatzkräfte. Die Polizei habe sich „taktisch völlig richtig verhalten und durch ihr Einsatzkonzept in keiner Weise Anlass für eine Eskalation der Gewalt geboten.

Sie war unerwartet kurz, und sie war unerwartet sachlich. Die Debatte in der Hamburger Bürgerschaft über das Schanzenfest am vorigen Sonnabend war fast so friedlich wie das Straßenfest im Quartier rund um das Schulterblatt. Selbst Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) lobte das „besonnene Verhalten von großen Teilen der Szene“. Da gedeihe „das zarte Pflänzchen der Deeskalation“, sagte Ahlhaus. Dafür fing er sich von Norbert Hackbusch (Linke) den Vorwurf ein, „zu säuseln“ – viel schärfer jedoch ging es nicht zu in der Aktuellen Stunde.

Zwar hatte SPD-Innenpolitiker Andreas Dressel dem Senator vorgeworfen, er könne „das Provozieren nicht lassen“ und ihm „Deeskalation durch Mundhalten“ empfohlen. Zwar erläuterte seine Fraktionskollegin Juliane Timmermann ausführlich, warum „Deeskalation und Stärke ein Widerspruch“ sei. Zwar attestierte Christiane Schneider von der Linkspartei Ahlhaus ein „inakzeptables obrigkeitsstaatliches Denken“. Der Aufklärung der Geschehnisse aber auf und vor allem nach dem Schanzenfest diente dieses Scharmützel nur bedingt.

Offen blieb denn auch, was nach einem friedlichen Tag im Schanzenviertel tatsächlich am frühen Sonntagmorgen rund um das Polizeirevier Lerchenstraße passierte. Wurde die Wache von „20 bis 25“ Menschen angegriffen, wie Schneider glaubt, oder von „bis zu 200“, wie Polizei und Innenbehörde erklärt hatten? Flüchteten diese Randalierer danach in Richtung Budapester Straße, wie Zeugen berichteten, oder in Richtung Schulterblatt? Wäre in letzterem Fall der anschließende Einsatz von Wasserwerfern und mehreren Hundertschaften vor der Roten Flora „falsch“, „unverhältnismäßig“ oder „Demonstration staatlicher Macht“, wie Opposition und Betroffene mutmaßen? Das werde auf einer Sondersitzung des Innenausschusses am nächsten Montag zu klären sein, kündigte Dressel an. Wie eine Drohung an die schwarz-grüne Regierung klang das indes nicht.

Und so drehte sich die Debatte vor allem darum, dass Ahlhaus auf Wunsch von Bürgermeister Ole von Beust (CDU) seine 2.000 Polizisten zur Deeskalation verpflichten musste. Die grüne Innenpolitikerin Antje Möller, die gemeinsam mit von Beust den Innensenator zur Ordnung gerufen hatte, erklärte erneut das „veränderte Polizeikonzept für richtig“. Ahlhaus jedoch bestritt „einen Strategiewechsel“ so nachdrücklich, als hielte er ein solches Vorgehen für eine unverzeihliche Schwäche. SVEN-MICHAEL VEIT