„Schwarz-Gelb will Bahn zerschlagen“

Die Züge privatisieren, das Gleisnetz abkoppeln – das sei die Vision von Union und FDP, sagt Norbert Hansen, Chef der Gewerkschaft Transnet. „Der ICE würde in Deutschland nicht fahren, wenn Rad und Schiene 1991 getrennt worden wären“

INTERVIEW STEPHAN KOSCH

taz: Herr Hansen, was würde es für den Bahnkunden bedeuten, wenn Union und FDP die Regierung übernehmen?

Norbert Hansen: Langfristig dürfte das Streckennetz kleiner werden. Denn die FDP will den Bahnkonzern zerschlagen. Personen- und Güterverkehr sollen privatisiert werden. Nur das Schienennetz soll zunächst beim Staat bleiben. Das haben auch CDU-Politiker immer wieder gefordert. Frau Merkel hält sich aber noch bedeckt.

Was wäre denn so schlimm, wenn das Schienennetz dem Staat und nicht mehr der Bahn gehört?

Ein reiner Zugbetreiber würde auf Dauer nur noch Strecken anbieten, die genug Profit abwerfen. Ein flächendeckendes Schienensystem gäbe es nicht mehr. Und es würde zu keinen technischen Verbesserungen mehr kommen. Der ICE würde in Deutschland nicht fahren, wenn Rad und Schiene 1991 getrennt worden wären. Ein Hochgeschwindigkeitszug, der 300 km/h fährt, braucht auch ein bestimmtes Gleissystem. Für eine Gesellschaft, die nur den Fahrweg betreibt, gibt es keinen Anlass, ein so teures Netz zu bauen.

Nun gelten auch Monopolisten nicht als innovativ. Und seit gestern wird der Aufsichtsrat geleitet von Werner Müller, der als Wirtschaftsminister auch vor allem große Konzerne gestärkt hat. Das Abschiedsgeschenk vom Bundeskanzler an den Bahnchef Mehdorn?

Ich habe nicht erwartet, dass der Bundeskanzler jemanden vorschlägt, der ihm politisch nicht passt. Werner Müller hat Erfahrung als Führungskraft in der Stromwirtschaft und weiß, wie wichtig es ist, dass ein Konzern seine Infrastruktur kontrollieren kann. Es gibt keinen Zweifel, dass Müller am integrierten Konzern nicht rütteln will.

Müller will den RAG-Konzern an die Börse bringen. Diese Erfahrungen soll er doch bestimmt auch bei der Bahn einbringen. Wird das die Bahngewerkschaften nicht unter Druck bringen?

Wir wollen viel mehr Dienstleistungen rund um das Bahnfahren anbieten und das Schienennetz weiter modernisieren. Wenn das bei knappen Staatsfinanzen nur mit privatem Kapital geht, dann bitte her mit dem Geld – wenn es den Arbeitnehmerinteressen dient.

Also hat Mehdorn alles richtig gemacht?

Wer macht das schon. Es gab sicher den ein oder anderen Ausreißer, aber da ging es meist um Imagefragen. Insgesamt ist die Bilanz in Ordnung. Wir liegen zurzeit in allen Bereichen über Plan, auch nach dem zweiten Quartal. Der Fernverkehr ist zwar noch im Minus, aber weniger als geplant.

Dann wird die Bahn in zwei Jahren an der Börse sein?

Das glaube ich nicht. Die Bahn wird zwar Gewinn machen und eine ordentliche Rendite für einen Investor erzielen. Aber ein Anleger wird sich nicht nur das letzte Jahresergebnis anschauen, sondern auch die längerfristigen Perspektiven. Und da ist noch nicht klar, wie die Bahn sich im Wettbewerb schlagen wird.

Wie lange wird denn Mehdorn angesichts der Rücktrittsforderungen aus Union und FDP noch im Amt bleiben?

Wenn die Ergebnisse weiterhin stimmen, gibt es für einen Rücktritt keinen Grund. Und ihn aus politischen Gründen zu entlassen, weil er Schröder duzt, das wäre wirklich nicht sinnvoll.