LESERINNENBRIEFE
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Verkehrslärm verniedlicht

■ betr.: „Menschenkette gegen Fluglärm“, Schalldichte Fenster in Berlin vergessen“, taz vom 25. 6. 12

Arno Frank erkennt in seinem Bericht zur Frankfurter Demonstrationsfolklore nur den „Grundwiderspruch“, dass der Flughafen von allen Anwohnern genutzt werde, aber keiner darunter leiden möge. Und Richard Rother meint, der Lärmschutz in Berlin werde von den Behörden „aufgeweicht“. Seine Umsetzung könne den Flughafenbetrieb weiter verteuern und die Lärmentlastung für die Anwohner der Altflughäfen weiter verzögern. Beide Berichte operieren damit auf dem Niveau einer Kirchturmpolitik, die Verkehrslärm als „lästiges Übel“ verniedlicht, dem durch bloße Verschiebung der Stachel gezogen werden könne. Tatsache ist, dass Abermillionen Flughäfen nutzen, während „nur“ Hunderttausende seine Lärmkosten zu tragen haben. Tatsache ist auch, dass der Verkehrslärm – verglichen mit anderen Lärmquellen – von allen ernstzunehmenden gesetzlichen Grenzwerten ausgeschlossen ist. Das politische Problem, das die taz ignoriert, ist 1. die massive rechtliche und steuerliche Privilegierung des Flugverkehrs, der es der Lufthansa ermöglicht, „niedliche Preise“ zu versprechen, und 2. die Externalisierung von Kosten in die Körper von Flughafenanwohnern. STEFAN HIRSCHAUER, Mainz

Potenzial zu eugenischer Auslese

■ betr.: „Das perfekte Kind“, taz vom 20. 6. 12

Auch mit Pränataldiagnostik steht niemand auf der „sicheren Seite“. Nur circa 3 Prozent aller Behinderungen sind angeboren, und nicht alle davon können vorgeburtlich erkannt werden. Es gibt weder eine Garantie und schon gar kein Recht auf ein gesundes Kind, geschweige denn auf ein perfektes. Die meisten der heutzutage feststellbaren genetischen Abweichungen oder körperlichen Auffälligkeiten sind weder mit großen Schmerzen noch mit einem frühen qualvollen Tod verbunden. Die undifferenzierte Gleichstellung von Behinderung mit Krankheit und Leid wird schon seit 30 Jahren von den Selbsthilfebewegungen zu Recht kritisiert. Mit der Einführung des Bluttestes auf Trisomie 21 in der Frühschwangerschaft wird es erstmals technisch möglich, alle Embryonen mit dieser Abweichung schon in der 10. Schwangerschaftswoche zu erkennen. Dass sich sehr viele Frauen oder Paare zu diesem Zeitpunkt für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden werden, ist voraussehbar. Diese Untersuchung schützt genetisch unauffällige Föten, indem sie risikobehaftete Fruchtwasseruntersuchungen in Zukunft überflüssig macht, findet aber präzise und flächendeckend alle auffälligen heraus. Eine Methode mit solch einem Potenzial zu eugenischer Auslese verlangt eine breite Debatte und einen gesellschaftlichen Konsens darüber, ob und in welchem Rahmen sie angewendet werden darf, insbesondere weil es in absehbarer Zeit möglich sein wird, das gesamte menschliche Genom vorgeburtlich zu untersuchen, auf alle bisher schon bekannten oder auch noch zu entdeckenden genetischen Abweichungen.

 Wie bei anderen bioethischen Fragestellungen können nicht nur die Betroffenen die „einzig zulässigen Richter“ sein. Eine Debatte über das vorgeburtliche genetische Screening müsste sich auch beschäftigen mit unserem Umgang mit Behinderung und Diskriminierung, mit Autonomie, Selbstbestimmung und Solidarität, mit reproduktiven Rechten und Eugenik, mit informierter Entscheidung und dem Recht auf Nichtwissen, mit den Profiten der Pharmaindustrie und der Kontrolle der Forschung, mit Geschlechtergerechtigkeit und Feminismus heute – ich wünsche mir fundiertere Artikel zu diesem Themenkomplex! MAREIKE KOCH, Frauenärztin, Bremen

Gesetz für Medikamentenhandel

■ betr.: „Ärzte zu bestechen ist nicht strafbar“, taz vom 23. 6. 12

Es ist noch nicht lange her, da gehörte ein „Bakschisch“ bei Außenhandelsgeschäften zum guten Ton, ließ sich sogar von der Steuer absetzen. Das hat sich zum Glück geändert. Ebenso sollte nun schleunigst ein entsprechendes Gesetz für den Handel mit Medikamenten verabschiedet werden. HELGA SCHNEIDER-LUDORFF, Oberursel