„Mama hat geblutet“

HÄUSLICHE GEWALT Seit gestern steht ein Mann vor Gericht wegen des Mordes an der Mutter seiner vier Kinder. Zwei davon mussten die Tat mit ansehen

Etwa alle zweieinhalb Tage wird in Deutschland eine Frau durch ihren Partner getötet. Laut Bundeskriminalamt (BKA) waren 2011 etwa zwei Drittel der Opfer mit den Tätern eng verwandt oder bekannt. Von den 313 Frauen, die im vergangenen Jahr in Deutschland getötet wurden, wurden 154 vom eigenen aktuellen oder ehemaligen Lebenspartner ermordet.

Jede vierte Frau zwischen 16 und 85 Jahren hat einer Studie des Familienministeriums zufolge bereits Gewalt durch den Ehemann, den Lebensgefährten oder einen anderen engen Vertrauten erlebt.

Weil er im Februar seine ehemalige Lebensgefährtin und Mutter der gemeinsamen vier Kinder mit fünf Messerstichen getötet haben soll, muss sich seit gestern ein 31-jähriger Mann verantworten. Als Motiv gibt die Anwältin des mutmaßlichen Täters Eifersucht an.

Der Prozess wird sich vornehmlich um das drehen, was der Staatsanwalt „juristische Feinheiten“ nennt, denn alles andere war bereits vor Prozessauftakt klar: Anfang Februar kam es in der Wohnung der 25-Jährigen, die sich zwei Monate zuvor von dem Angeklagten getrennt hatte, zu einem Streit, in dessen Verlauf der Mann zum Messer griff. Fünfmal stach er damit auf die Frau ein. Danach verließ er die Wohnung und informierte telefonisch die Feuerwehr darüber, dass in der Wohnung im Stadtteil Vahr eine tote Person läge. Am nächsten Morgen ging er zur Polizei und stellte sich.

Die Gewalttat geschah unter den Augen der zwei jüngsten gemeinsamen Kinder. Während die Älteren in der Schule waren, entdeckte die Polizei das vierjährige Mädchen und den zweijährigen Jungen im Etagenbett des Kinderzimmers: „Die haben sich nicht geregt“, so ein Rettungsassistent. „Die hatten Angst.“ Das Mädchen habe ihm später erzählt, „Mama und Papa hatten Streit. Papa hat das Handy und den Schlüssel genommen und Mama hat geblutet. Dann sind wir ins Bett gegangen, weil wir müde waren“. Weiterhin habe sie gesagt, „Papa hat versucht, Mama im Wohnzimmer zu fangen“.

Die Anwältin Margaret Hoffmann vertritt den Bruder und die Eltern der Toten als Nebenkläger. „Es hätte“, sagt sie, „sogar noch schlimmer enden können.“ In der Küche sei nämlich die Fritteuse in Betrieb gewesen; erst die Feuerwehr habe den Netzstecker gezogen. „Der Mann ist nach der Tat einfach weggegangen und hat seine kleinen Kinder allein gelassen.“

Bereits vorher war es in der Familie zu häuslicher Gewalt gekommen, der Mann war beim Jugendamt und bei der Polizei bekannt. Auf Grundlage des Gewaltschutzgesetzes sei ihm das Betreten der Wohnung seiner ehemaligen Lebensgefährtin untersagt gewesen. „Allerdings“, so Anwältin Hoffmann, „fand sein Besuch am Tattag in gegenseitigem Einvernehmen statt.“ Auch vorher habe es solche Treffen öfter gegeben: „Es ist ja auch nicht so einfach, mit vier gemeinsamen Kindern.“

Der Angeklagte schwieg zu den Vorwürfen, wollte am Ende des ersten Prozesstages allerdings wissen, wie es seinen Kindern gehe. Die leben inzwischen bei den Eltern der Toten. SCHN