Gewerkschaft muss nachverhandeln

Die IG Metall setzte Siemens für die Handyproduktion in Kamp-Lintfort eine Frist zur Beschäftigungssicherung. Das Zeitfenster endet heute – ohne Ergebnis. Nun will die Gewerkschaft weitere Gespräche führen

DÜSSELDORF taz ■ Die IG Metall lässt die Frist, die sie dem Siemens-Konzern gesetzt hat, verstreichen. Die Gewerkschaft hatte Siemens zuvor aufgefordert, bis zum Beginn der Schulferien zu erklären, welche Maßnahmen der Konzern zur Sicherung der Arbeitsplätze im Mobiltelefonwerk in Kamp-Lintfort ergreifen wolle. Heute ist in NRW erster Ferientag.

Siemens hatte die verlustbringende Handy-Sparte und damit auch das Werk in Kamp-Lintfort an den taiwanesischen Technologiekonzern BenQ verkauft. Ob BenQ am deutschen Produktionsstandort festhält wird die Hauptversammlung des Konzerns am 28. Juli in Taipeh entscheiden. Die IG Metall sieht durch den Verkauf des Kamp-Lintforter Werkes die Möglichkeit, den Ergänzungstarifvertrag, der für die Telefonwerke in Bocholt und Kamp-Lintfort bis Ende Juni 2006 gilt, zu kündigen. Dann bekämen die Beschäftigten ab sofort mehr Lohn.

Denn die rund 4.000 Beschäftigten beider Werke verhinderten vor einem Jahr durch Mehrarbeit und Lohnkürzungen die Verlagerung von 2.000 Arbeitsplätzen nach Ungarn. Der Ergänzungstarifvertrag, der in 2004 geschlossen wurde, gilt noch bis Ende Juli kommenden Jahres.

Die Gewerkschaft lässt das Ultimatum verstreichen, weil sie glaubt, der Münchener Konzern könne für die Beschäftigten bei BenQ noch etwas tun. „Siemens will darauf hinwirken, dass die Beschäftigungsgarantien auch bei BenQ so bestehen bleiben, wie bisher“, sagte die Sprecherin des IG-Metall-Vorstands, Martina Helmerich, gestern zur taz nrw.

Dass die IG Metall für die Beschäftigten nach Verstreichen der Frist den Ergänzungstarifvertrag nicht einseitig kündigt, kann auch an der unterschiedlichen juristischen Bewertung des Papiers liegen. „Der Vertrag, den ich kenne, hat keine Sonderkündigungsmöglichkeit“, sagte Siemens-Sprecher Michael Scheuer. Vor dem 28. dieses Monats rechnet der Konzern-Sprecher nicht mit belastbaren Ergebnissen der zurzeit laufenden „üblichen Konsultationen“.

Heute soll es wieder Gespräche der Gewerkschaft mit Siemens über die Möglichkeiten zur Standortsicherung geben, nach der Hauptversammlung von BenQ sollen auch die Taiwaner an den Gesprächen beteiligt werden, sagte Wolfgang Nettelstroth, Sprecher der IG Metall NRW. „Wir erwarten, dass beide Gespräche zu dem Ergebnis kommen, dass es eine Arbeitsplatzsicherung für alle Beschäftigten über den bestehenden Zeitrahmen hinaus gibt“, sagte er.

Das heutige Gespräch solle laut IG-Metall-Vorstandssprecherin Helmerich vor allem klären, wie Siemens eine „Beschäftigungsgarantie stützen kann“. Dass könnte nur gelingen, wenn Siemens dafür noch einmal Geld auf den Tisch legt. Zusätzliches finanzielles Engagement wollte Helmerich von Siemens gegenüber der taz nrw gestern allerdings nicht fordern.

Der Konzern hat BenQ im Kaufvertrag zugesichert, 300 Millionen Euro zu bezahlen, damit die Taiwaner Siemens vom Verlustbringer Handyproduktion erlösen. Geld für Sozialpläne im Falle von Entlassungen am Standort Kamp-Lintfort sei dadurch aber nicht vorhanden sagen die Gewerkschafter.

Sollte sich BenQ dazu entschließen, die Handyproduktion zu schließen, kämen auf beide Konzerne noch hohe Kosten zu. In diesem Falle würde die Gewerkschaft den Ergänzungstarifvertrag wohl spätestens kündigen. Durch die darin vereinbarte Mehrarbeit und Lohnverzicht sparen die nordrhein-westfälischen Telefonwerke in Bocholt und Kamp-Lintfort in den kommenden fünf Jahren rund 110 Millionen Euro bei den Beschäftigten, haben die Gewerkschafter von der IG Metall ausgerechnet.

ELMAR KOK