Von Ostseekunst-Türmen und Stimmenverschlingungen

Acht Künstlerprojekte sollen während der Sommermonate die Hafencity-Baustelle verschönern, um den Touristen zu zeigen, wie musenfreundlich dieser Stadtteil ist

Vielleicht war es nur ein Versehen. Dann aber bestimmt ein Freud‘sches: Von „Wertschöpfung“ anstelle von „Wertschätzung“ der Kunst war jüngst im Zusammenhang mit der künstlerischen Bestückung der Hafencity die Rede – beziehungsweise: bei der Präsention jener acht Projekte, die den Wettbewerb „Kunst und Kultur in der HafenCity“, ausgelobt von der Hamburgischen Kulturstiftung, gewonnen hatten. Die Sieger sollen während der Sommermonate die Baustelle verschönern.

Und wenn man auch darüber räsonnieren kann, ob Künstler in solchen Zusammenhängen eher benutzt werden, als aktiv zu gestalten, ob sie sich nicht auch aus materieller Not – die auch aus Kürzungen der Mittel für Kunst im öffentlichen Raum resultiert – so zahlreich beworben haben, bleibt dies doch „eine Möglichkeit, die eigene Arbeit zu präsentieren“, wie es Preisträger Volker Lang formuliert.

Doch der Verdacht, Kunst sei nur Dekorum, weicht nicht: Gut erinnerlich ist noch die plötzliche Künstlerfreundlichkeit der Planer der City Nord, als auffiel, dass sie einen Stadtteil ohne Farbe ersonnen hatten. Außerdem gab es für die vielen Büroangestellten keine Events für die Mittagspause – und daher plötzlich günstig Ateliers.

Auch die künstlerische Hafencity-Sommerbespielung – pünktlich zur Touristensaison – nährt den Verdacht, dass hier massiv für einen Stadtteil geworben werden soll, für dessen wichtigste „Glanzlichter“ – das Tamm-Museum und die Elbphilharmonie – nicht einmal ein Bruchteil der vielen privaten Sponsoren gefunden ist, die das maßgeblich finanzieren sollen.

Und so hat die Jury der Kulturstiftung dann auch großteils wenig kritische, werbewirksame Projekte ausgewählt, die die Seele in Richtung weltoffen-maritimer Zukunft dieses Ortes flügeln lassen: Katrin Bethges Projektion am Kaispeicher A zum Beispiel, die sich mit Vergangenheit und Zukunft des künftigen Elbphilharmonie-Sockels befassen soll, zählt zu ihnen. Einen „Jahrmarkt des Abschieds“ wird Thomas Matschoß inszenieren, und auch der „Sirenengarten“ von Dirk Meinzer, im Berliner Zoo aufgenommene und auf die Wand projizierte Seekühe – tragen stark atmosphärischen Charakter. Außerdem soll es die „Lesebühne Hamburger Ziegel“ sowie die „Hafencity Universitas“ geben.

Trotz allem aber wird es tatsächlich zwei Projekte, die sich mit der hiesigen Kunstszene befassen: den Kunst-Imbiss von D.G. Reiß und Katharina Kohl, der über Hamburger Künstler und Initiativen informiert, sowie den „Baltic Raw Tower“, an dem Berndt Jasper Hamburger Künstler mit Kollegen aus dem gesamten Ostseeraum zusammenbringen will. Eine kleine Reminiszenz an das von Kultursenatorin Dana Horáková aufs Blut bekämpfte Ostseekunst-Festival „Artgenda“ anno 2002.

Originär historisch wird allerdings einzig Volker Langs „Südwärts“ genanntes Auswanderer-Projekt sein: Stimmen, entnommen Büchern wie Joseph Roths Hiob und Gerd Fuchs „Die Auswanderer, wird er zu imaginären Dialogen verweben, die Stimmung und Situaton vergangener und zeitgenössischer Auswanderer spiegeln. Ein expressives Projekt mit starken Kontrasten soll es werden, sagt Lang. „Denn mit der Situation dieser Menschen wollte ich mich schon lange befassen, und ich bin überzeugt, dass dieses Thema für Hamburg noch keineswegs abgehakt ist.“

Petra Schellen

Projektion Kaispeicher A – Bauen mit Licht: 8.7.–16.9.Jahrmarkt des Abschieds: 9., 10., 12.-16., 19., 20., 22.–24.7., jeweils 21–23 Uhr, Strandkai. Kunst-Imbiss: 16.7.–16.10. jeweils Sa/So, Am Kaiserkai, Großer Grasbook. Baltic Raw Tower: 16.7.–31.10., Strandkai. Hafencity Universitas: 22.–31.7., westliche Hafencity.Lesebühne „Hamburger Ziegel“: 28.7., 11.8., 1.9., 20 Uhr, Magellan-Terrassen. Sirenengarten: 5.8.–5.9., Magellaen-Terrassen. „Südwärts“: 1.9.–31.10., Grasbrookhafen