Kleines Konzert, große Gesten

Zu gut geföhnt: Mark Owen, der kleine Süße bei Take That, stellte im Magnet sein drittes Album, „How The Mighty Fall“, vor. Vor allem machte er viel mit den Händen

Vielstimmiges, heiteres Mädchengeschnatter erfüllt am Dienstagabend den Magnet-Club. Eine Stunde vor Konzertbeginn ist der lange, schmale Konzertraum zwar erst locker gefüllt, aber vorne in den ersten Reihen drängen sich die Fans schon vor der Bühne: Noch nie konnte man einem Ex-Take-That so nah sein. Die Mädchen sind ja eigentlich auch keine Mädchen mehr, es sind volljährige Frauen, denen wahrscheinlich schon bald die Quarterlife-Krise bevorsteht. Aber an diesem Abend wollen sie so tun, als steckten sie noch in ihren Teenagerzeiten.

Man denke mit ihnen zurück: Take That waren die erfolgreichste Band der 90er-Jahre – sie brachten es immerhin auf acht Nummer-eins-Hits, lösten den „Kinderwahnsinn“ aus, ihretwegen erfand man die Sorgentelefone. Ach, unschuldige Zeiten, als man in den Boybands noch die Verrohung der Musikindustrie zu erkennen glaubte: Arglose Jungs werden um ihre Jugend betrogen! Die Band ist doch gecastet! Aus der historischen Distanz betrachtet, wirken Take That heute fast organisch gewachsen, mit echten Charakteren und Talenten.

Mark Owen war der kleine Süße bei Take That. Bald nach der Bandauflösung begann er seine Solokarriere. Sein Debütalbum „Green Man“ verkaufte sich immerhin eine Million Mal, das zweite dann schon deutlich weniger gut – obwohl Owen 2002 als Gewinner aus dem englischen „Celebrity Big Brother“ hervorgegangen war. Beim aktuellen 3. Album, „How The Mighty Fall“, hat Produzent Tony Hoffer (Beck, Supergrass) mitgeholfen.

Als Mark Owen auf die Bühne kommt, ist der Magnet restlos ausverkauft. Aus den hinteren Reihen kommen ironische „Robbiiie! Robbiiie!!!“-Entzückensschreie, vorne wird noch ganz unironisch angehimmelt. Die Band legt los, beim Singen fällt Owen ein bisschen zu oft ins Falsett, aber sonst ist es musikalisch gar nicht unangenehm. Aufheiternd eingängige Popnummern, sonnige Rocksongs werden locker weggespielt. Die Bandmitglieder sind vom Turnschuh bis zur Wollmütze perfekt als Indieboys gestylt. Aber irgendetwas da oben stimmt trotzdem nicht.

Es ist leider Marc Owen selbst, mit dem es nicht so richtig stimmt. Er sieht irgendwie zu gut geföhnt und gekämmt aus, zu gleichmäßig gebräunt, zu stereotyp gut aussehend. Trotz Sehnsucht nach dem Indie-Untergrund, trotz Indierockband, trotz Nightliner-Tour durch kleine Clubs – den Fluch „Ex-Boy-Band“ kriegt er nicht abgeschüttelt, er scheint ihm fast auf die Stirn tätowiert. Die Bühne ist zu klein für ihn, er bewegt sich immer noch, als wäre er in einer großen Halle. Gerne dreht er den Rücken zum Publikum, hebt die Hände messianisch, was ohne passende Lightshow aber wenig Effekt macht.

Auf dem kleinen Fleck zwischen Schlagzeug, Keyboard und Verstärker dreht er Pirouetten. Und weil für weitere Körperaktionen zu wenig Platz ist, macht er viel mit den Händen, verdreht sie flamencoartig in der Luft, dirigiert das Publikum mit gebieterischen Gesten. „Hallo, Mark?! Das ist ein kleiner Club und kein Stadion“, will man ihm von der Seite zuflüstern. Dabei hat er sich in seiner unstillbaren Sehnsucht nach Indietum doch so eine Clubtour gewünscht, wegen der Nähe zum Publikum Aber es gibt keine intimen Momente, Marc Owen bleibt ein gut aussehender Boygroupzombie.

CHRISTIANE RÖSINGER