Deutsche Milchbauern sind streikmüde

AGRAR Anders als beim Lieferboykott vor einem Jahr hält diesmal nur eine Minderheit der Landwirte Milch zurück. Einen Streikaufruf hatte das Kartellamt verboten, und viele Landwirte haben resigniert

BERLIN taz | Am derzeitigen Milchstreik beteiligen sich in Deutschland weit weniger Bauern als an dem Ausstand vor einem Jahr. „Wir schätzen, dass 20 Prozent der produzierten Milch zu Hause bleibt“, sagte der Chef des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter (BDM), Romuald Schaber, am Mittwoch der taz. Der Milchindustrie-Verband sprach sogar nur von „unter einem Prozent“. Bei dem Lieferboykott 2008 dagegen waren laut BDM in der ersten Woche 50 Prozent und in der zweiten 65 bis 70 Prozent der Milch etwa an Tiere verfüttert oder in die Güllegrube geleitet worden.

Grund für den am Samstag begonnenen Streik ist, dass die rund 97.000 Milchbauern im Moment nur 18 bis 24 Cent je Liter erhalten. „Das ist etwa die Hälfte dessen, war wir bräuchten, um unsere Kosten zu decken“, sagt Schaber. In Frankreich waren zahlreiche Landwirte bereits am Freitag in den Ausstand getreten.

„Die Beteiligung in Deutschland ist geringer als vor einem Jahr, weil wir nicht zum Streik aufrufen dürfen“, erklärte Schaber. Das Bundeskartellamt hatte den Aufruf des BDM vor einem Jahr als Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht eingestuft. Aber das ist laut Schaber nicht der einzige Grund: „Die Bedenken sind größer, ob etwas mit dem Streik zu erreichen ist.“ Die Politiker hätten ihre Versprechen nach dem Ausstand im vergangenen Jahr gebrochen. Außerdem meinten viele Bauern wegen ihrer schlechten finanziellen Lage, sich einen Lieferstopp nicht leisten zu können.

Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) erwartet unterdessen wegen des zunehmenden Drucks auf EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel ein Einlenken. „Die Kommissarin wird an diesem Donnerstag ein neues Gesamtkonzept zur Unterstützung der Milchbauern vorstellen“, sagte Aigner der dpa. „Ich gehe davon aus, dass sie dabei unsere Forderungen berücksichtigen wird.“ Deutschland und 17 weitere EU-Staaten verlangen eine vorübergehende Erhöhung des Preises für Aufkäufe und mehr Exporthilfen für Butter, Milchpulver und Käse. JOST MAURIN