Unterm Makrelenhimmel

WESTCOAST Norman aus Portland, Oregon sind im Rahmen von „Songs & Whispers“ in Gestalt ihres kreativen Kopfs Eric Nordby auf Tournee im Nordwesten

Wald, Himmel, ein Fluss, und ab und an fährt der „Coast Starlight“-Zug durchs Willamette-Tal

VON ANDREAS SCHNELL

Ein kleines bisschen ist Portland wie Bremen. Es ist nicht wirklich groß, aber mit etwas über einer halben Million Einwohner groß genug, um als Großstadt zu gelten, anders als in anderen amerikanischen Metropolen fährt man hier gern Rad. Die Hauptstadt des Bundesstaats Oregon liegt im Nordwesten des Landes, durch ihre Mitte fließt ein Fluss, bis zum Meer ist es nicht mehr weit. Und auch, was das Wetter angeht, ist Portland ein bisschen wie Bremen. Anders als ein paar hundert Meilen weiter südlich regnet es hier eher häufig.

Was dann schon ein bisschen anders ist: Auch wenn mit dem noch etwas größeren Seattle das kulturelle Zentrum des Nordwestens der USA in nicht allzu weiter Ferne liegt, hat sich Portland in den letzten Jahren ein schier unerschöpfliches Reservoir guter bis hervorragender Bands entwickelt, die international von sich reden machen. Die Prog-Rocker 31 Knots kommen ebenso von dort wie die legendären, mittlerweile allerdings aufgelösten Garagen-Punk-Legende Dead Moon, die Power-Popper The Thermals und die Post-Metal-Band Grails, The Gossip zogen aus dem ländlichen Arkansas nach Portland und eroberten von dort aus die Welt, die Shins kamen aus Albuquerque hierher, von den Wipers, Poison Idea und Team Dresch wurde hier Punk-Geschichte geschrieben. Da kann Bremen dann doch nicht ganz mithalten. Aber vielleicht kommt das ja noch. Portland ist nämlich so eine Art Kriegsgewinner: Wer sich die Mieten in San Francisco oder Seattle nicht mehr leisten kann, zieht hierher. Weshalb Alteingesessenen mittlerweile die zugezogenen Hipster schon ein Dorn im Auge sind.

Eric Nordby, Sänger und Gitarrist der Band Norman wohnt allerdings schon lange in der Gegend, und auch seine Mitmusiker kommen aus dem Tal entlang des Willamette, der in Portland in den Olympia River mündet. Und sie legen viel Wert auf Tradition. Schon der Bandname ist eine Referenz an die Vergangenheit: Norman hieß Eric Nordbys Großvater mit Vornamen. Der Titel ihres aktuellen Albums „Hay, Hay, Make A Wish And Turn Away“ (jetzt auf dem Label Songs & Whispers erschienen) zitiert einen Volksbrauch, demzufolge man sich bei Ansicht eines Heuballen etwas wünscht und sich dann schnell abwendet. „This album is dedicated to the traditions that we carry with us“, heißt es im Booklet der CD: Dieses Album ist den Traditionen gewidmet, die wir mit uns tragen.

Da ist es nicht weiter überraschend, dass auch die Musik nicht gerade futuristisch daherkommt, Folk und Country sind die bestimmenden Einflüsse. Aber schließlich gehört zu den Traditionen, die man mit sich trägt, auch die jüngere Vergangenheit. Norman sind keine Band, die sich in die archaischen Formen der weißen nordamerikanischen Folklore vergraben. Sie sind mit elektrischen Gitarren groß geworden, mit Neil Young, mit dem Rock der Westküste, mit dessen eleganten Aneignungen des rustikalen Erbes. Was bereits damals eine Art Strategie der Entschleunigung war, lässt sich heute gewiss ähnlich lesen, als Sehnsucht nach einer Vergangenheit, die sich zumindest in der Rückschau idyllischer ausnimmt. Wozu auch die gelegentlich knirschenden Stromgitarren keinen Widerspruch bilden, denn schließlich ist auch die große Ära des Rock heute eine mythenbehaftete, ferne Vergangenheit, in der zumindest der jugendliche Aufstand noch unschuldig war.

„Hay, Hay, Make A Wish And Turn Away“ wirkt in diesem Zusammenhang allerdings angenehm unbeschwert um reaktionäre Reflexe. Ihre Songs handeln neben den üblichen Beziehungsgeschichten von den Landschaften, von denen es in Oregon wirklich jede Menge gibt, vom „Mackerel Sky“, einem Makrelenhimmel, der weder wirklich trocken noch wirklich nass ist (und was ja schon verdächtig nach Bremen klingt), von der Wildnis, von Orten da draußen, wo Highways kollidieren. Was dann eben nicht nur romantische Verklärung ist, sondern Alltag, denn während Nordby in Portland lebt, wohnen seine Mitmusiker weiter südlich in der Einöde, zum gemeinsamen Proben und Abhängen trifft man sich auf halber Strecke in Salem – dazwischen: nicht viel, Wald, Himmel, ein Fluss, und ab und an fährt der „Coast Starlight“-Zug durchs Willamette-Tal.

Jetzt ist Eric Nordby im Rahmen von Songs & Whispers allein auf Tour, um die Songs von Norman zu spielen. Er dürfte sich im Nordwesten wohl fühlen.

■ heute ab 13.30 Uhr, Altes Gymnasium, Kleine Helle und ab 19 Uhr, Rathaus Stuhr; Samstag, 11 Uhr, Ansgarikirchhof; Sonntag, 20 Uhr, Katakomben, Achim, Dienstag, 20 Uhr, Passage-Kino, Bremerhaven